Es ist ein Vorhaben der Superlative: In gleich fünf Städten beginnt Jai Singh um 1720 mit dem Bau seiner neuen Observatorien – der Jantar Mantar. Auf Sanskrit bedeutet dies soviel wie „magische Instrumente“ und verdeutlicht damit, wie eng im alten Indien Glauben, Rituale und Astronomie verknüpft sind. Jedes dieser Observatorien umfasst rund ein Dutzend astronomische Instrumente von teilweise riesigen Ausmaßen. Dabei sind sowohl die Standorte als auch die Bauwerke genauestens durchdacht.
Ausgedehntes Messnetz
Der Maharadscha wählt fünf Orte für seine Sternwarten aus, die für ihn und seine Zeit von großer politischer und religiöser Bedeutung sind – und markiert damit seinen Einflussbereich. Gleichzeitig liegen die Sternwarten möglichst weit voneinander entfernt, damit ihre Beobachtungen einander optimal ergänzen und korrigieren können. Auch heute werden beispielsweise Radioteleskope über große Entfernungen zusammengeschaltet, um die Auflösung und Präzision der Messungen zu erhöhen.
Das erste Observatorium lässt Singh 1724 in Delhi errichten, der Hauptstadt und dem Machtzentrum der indischen Großmogule. Als Vasallenfürst der muslimischen Mogulherrscher demonstriert der hinduistische Singh damit seine Loyalität, stärkt aber auch seine Position in der Hauptstadt, indem er sozusagen „immer einen Fuß in der Tür“ behält. Passend zu ihrem prominenten Ort umfasst die Sternwarte von Delhi einige der größten Messbauten der fünf Observatorien.
Am indischen Nullmeridian
Von besonderer astronomischer Bedeutung ist dagegen das Observatorium von Ujjain. Denn durch diese Stadt am Ufer des Shipra-Flusses verläuft der Nullmeridian der indischen Astronomie – quasi das „Greenwich“ Indiens. Wenn über diesem Längengrad die Sonne aufgeht, beginnt damals nach indischer Zeitrechnung der Tag. Auf dieser Referenz basiert das gesamte politische und religiöse Leben, aber auch die astronomischen Berechnungen und Sterntafeln. Für Hindus ist Ujjain noch heute ein heiliger Ort und einer der fünf großen Pilgerziele.
Den nächsten Standort wählt Jai Singh wegen seiner religiösen Bedeutung aus: Die rund 150 Kilometer südlich von Delhi gelegene Stadt Mathura ist nach dem Glauben der Hindus der Ort, an dem der Gott Krishna geboren wurde. Eine weitere Sternwarte lässt Singh in Varanasi erbauen. Die Stadt am Ganges ist eine der ältesten Städte Indiens und damals ein berühmtes Zentrum der Gelehrsamkeit.
Das große Observatorium von Jaipur
Den Abschluss und Höhepunkt der fünf Observatorien bildet aber die Sternwarte in Jaipur – der Stadt, die Jai Singh 1726 als neue Hauptstadt seines Reiches erbaut. Der Maharadscha lässt das gesamte Stadtzentrum nach der hinduistischen Architekturlehre des Vastu Shastra entwerfen – einem System, das bestimmte Symmetrien, Maße und räumliche Anordnungen beschreibt, die für optimale Harmonie mit der Natur und Religion sorgen sollen.
Das Observatorium von Jaipur bekommt einen prominenten Platz in der Stadtmitte – unweit des Palastes. Wie es sich für die Hauptstadt seines Reiches gebührt, lässt Jai Singh in dieser Sternwarte die meisten und größten Instrumente bauen. 20 festangestellte Astronomen folgen hier ab 1738 mithilfe von 14 verschiedenen Instrumenten dem Lauf der Sonne, des Mondes und der Sterne. Selbst nach dem Tod von Jai Singh ist diese Sternwarte noch über Jahrzehnte in Benutzung geblieben. Heute ist sie eines der besterhaltenen der fünf Observatorien und gehört seit 2010 zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Nadja Podbregar
Stand: 15.09.2017