Bis 1991 war die politische und geographische Situation am Kaspischen Meer völlig klar: Der Iran und die Sowjetunion teilten sich den See nach geltendem Völkerrecht. Beide Seiten wussten genau, welche Rechte und Pflichten sie hatten und wo ihre Gebietsansprüche endeten. Heute, zehn Jahre nach dem Zerfall des Sowjetreiches, gibt es mittlerweile fünf Anrainerstaaten am größten Binnengewässer der Welt – Iran, Kasachstan, Turkmenistan, Aserbaidschan und die Russische Föderation.
So vielfältig wie die Volksgruppen rund um das Kaspische Meer sind auch die Vorstellungen zur Nutzung des wichtigen geostrategischen Raumes. Umstritten ist heute immer noch die verbindliche Aufteilung des Kaspischen Meeres und damit auch der jeweilige nationale Anspruch auf die gewaltigen Rohstofflagerstätten, die unter dem riesigen Binnensee schlummern.
Die Positionen der Länder sind dabei zum Teil so verschieden, dass es im August diesen Jahres sogar zu einem bewaffneten Konflikt um das schwarze Gold gekommen ist. Kriegsschiffe des Iran hatten damals ein Bohrschiff Aserbaidschans angegriffen, das gerade dabei war, zwei strittige Ölfelder im Offshore-Bereich zu erschließen.
Obwohl eine schwerwiegende militärische Krise noch vermieden werden konnte, ist das Konfliktpotentail in der Region weiterhin unverändert hoch. Aserbaidschan, Russland und Kasachstan fordern die Aufteilung des Sees entlang einer künstlich festgelegten Mittellinie, die überall den gleichen Abstand zu den Küsten halten soll und ihnen ein größeres Stück vom Gesamtkuchen des Binnengewässers garantiert.
Iran und Turkmenistan dagegen, die Leidtragenden des ersten Modells, fordern eine Aufteilung des Sees in fünf gleich große Sektoren. Mittlerweile sind die Positionen extrem verhärtet und eine Ende des Streits ist noch längst nicht in Sicht…
Stand: 07.11.2001