Aber wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Die Realisierung des „Drei-Schluchten-Damms“ fordert von den Chinesen eine Menge Opfer. Fast zwei Millionen Menschen müssen im Zuge der Bauarbeiten umgesiedelt werden und verlieren ihre Heimat für immer. Zahllose Kulturdenkmäler, zum Teil mehr als 10.000 Jahre alt, sollen nach und nach auf andere Standorte umgesetzt werden, über 10.000 Dörfer und Städte verschwinden in den Fluten.
Es gibt aber auch andere gravierende Probleme, die den Kritikern des Dammbaus immer neue Nahrung geben. Was passiert beispielsweise mit den Giftstoffen aus den zahllosen Müllhalden der zum Untergang verurteilten Dörfer? Wenn sie ins Flusswasser gelangen, könnten ganze Ökosysteme verseucht und Unmengen fruchtbares Ackerland kontaminiert werden. Welchen Ausgleich kann man den Agrarbetrieben für die fruchtbaren Sedimente anbieten, die der Jangtse bisher Jahr für Jahr auf den Überschwemmungsflächen am Unterlauf des Flusses abgelagert hat? Kunstdünger ist nicht nur teuer, er kann bei unsachgemäßer Verwendung auch Umweltprobleme verursachen und zur Trinkwasserverschmutzung beitragen. Wo gibt es adäquaten Ersatz für das kostbare Ackerland, das von der riesigen Seefläche verschlungen wird? In den meisten in Frage kommenden Regionen im dicht bevölkerten China ist die Bodenfruchtbarkeit erheblich geringer als in der Jangtse-Region.
Darüberhinaus haben selbst chinesische Experten Bedenken, ob der Superdamm wirklich alle größeren Flutkatastrophen verhindern kann. Nach Berechnungen eines hochrangigen ehemaligen Deichbauers würde das Speichervolumen des Stausees jedenfalls bei weitem nicht ausreichen, um beispielsweise die gigantischen Wassermassen, die während der Jahrhundertflut von 1954 den Jangtse herabstürzten, aufzunehmen. Welche Auswirkungen zukünftige Überschwemmungen auf die sich in Sicherheit wiegende Bevölkerung im Unterlauf des Flusses haben könnten, ist heute kaum abschätzbar.
Auch über eine mögliche Erdbebengefahr, die durch den gewaltigen Wasserdruck im Stausee bestehen könnte, wissen die Experten bisher nicht allzu viel. Ein schwerer Erdstoß direkt unter oder in unmittelbarer Nähe des Mega-Projektes würde vermutlich zu gravierenden Problemen mit der Statik des Dammes führen, ihn vielleicht sogar zum Einsturz bringen oder zumindest schwer schädigen. Weit über 100 Millionen Menschen, so schätzen Experten, wären bei einem Kollaps des Staudamms den Richtung Meer rauschenden Fluten wehrlos ausgesetzt.
Und noch in einem Punkt scheinen die Planungen der Projekt-Manager einen schwerwiegenden Fehler aufzuweisen: Für eine optimale Stromausbeute darf der Stausee einen Pegel von 175 Metern nicht unterschreiten. Schon wenn der Wasserstand bei Katastrophenwarnung auf 145 Meter zurückgefahren werden muss, leidet die Stromproduktion erheblich. In welchen Gewissenskonflikt die Staudammbetreiber geraten könnten, wenn eine Flutwelle ansteht, lässt sich lebhaft vorstellen…
Kein Wunder, dass sich bei diesen schwerwiegenden Defiziten und Mängeln des Projektes mittlerweile eine breite Allianz aus Umweltschützern und Dammgegnern vor allem in Europa und Nordamerika formiert hat, die das Projekt mit Nachdruck bekämpfen. Trotz einiger Erfolge in den letzten Jahren: Verhindern können sie den „Drei-Schluchten-Damm“ sicher nicht.
Stand: 13.11.2000