Als die portugiesischen und spanischen Seefahrer im 15. Jahrhundert zu ihren ersten waghalsigen Forschungsreisen um das Kap der Guten Hoffnung oder zu den Gewürzinseln aufbrachen, hatten sie ein wichtiges Hilfsmittel an Bord: den Kompass.
Dieser leistete europäischen Abenteurern wie Fernando Magellan oder Vasco da Gama unschätzbare Dienste bei der Bestimmung der Himmelsrichtungen und damit beim Halten eines festgesetzten Kurses. Ohne dieses Messgerät wären viele der historischen Streifzüge und Eroberungen im Zeitalter der Entdeckungen vermutlich gar nicht zu realisieren gewesen.
Magische Anziehungskraft auf Eisen
Als Erfinder des Magnetkompass gefeiert wird noch heute der Italiener Flavio Gioia aus der Stadt Amalfi, wo im Hafen sogar ein Denkmal zu seinen Ehren aufgestellt ist. Doch die Ursprünge des Magnetkompass reichen viel weiter in die Vergangenheit zurück.
Schon die Chinesen erkannten weit vor Christi Geburt, dass Gesteine wie Magnetit eine scheinbar magische Anziehungskraft auf alle Gegenstände aus Eisen ausübten. Sie stellten aus diesem Gestein sogar Löffel her, die für magische Zwecke wie die Weissagung oder das Festlegen einer günstigen Grabstätte eingesetzt wurden.
Mit der Zeit fand man dabei heraus, dass sich die ausbalancierten Löffel am Ende der Rotationsbewegung immer in Nord-Süd-Richtung ausrichteten. Einfache Kompasse aus Magnetit sollen daraufhin – an Fäden hängend – bereits bei der Navigation auf den Dschunken eingesetzt worden sein.
Nadeln mit Fisch- und Schildkrötenform
Doch damit nicht genug. Ein neues Phänomen beschäftigte einige Zeit später die chinesischen Erfinder: Strichen sie einige Male mit einem Magnetstein über eine Eisennadel, begann auch diese anderes Eisen anzuziehen. Und um das Jahr 1090 stellte man schließlich fest, dass sich eine solche magnetisierte Nadel, wenn sie frei beweglich aufgehängt wurde, immer in Nord-Südrichtung ausrichtete – das Grundprinzip des Kompasses war erfunden.
Allerdings sahen die ersten chinesischen Messgeräte noch ganz anders aus als die uns heute bekannten Kompasse: Zur Ermittlung der Himmelsrichtungen wurde beispielsweise eine wie ein Fisch oder wie eine Schildkröte geformte Nadel in einem mit Wasser gefüllten Kasten deponiert.
Wie man die Messgeräte damals herstellte, ist ebenfalls bekannt. „Eine dünne Schicht geschmolzenen Eisens wird in Form eines Fisches gegossen. Noch in geschmolzenem Zustand wird der Fisch magnetisiert, indem man ihn, mit dem Schwanz in Richtung Norden weisend, abkühlen lässt. Das dünne Fischblatt wird sodann in einen Kasten voll Wasser gegeben, wo es auf der Oberfläche schwimmt. Wenn das Behältnis vor Wind geschützt wird und der Fisch frei schwimmt, zeigt sein Kopf direkt nach Süden.“, zitiert die Autorin Madeleine Amberger im Radiosender Österreich 1 eine alte chinesische Überlieferung.
Süd statt Nord
In Europa tauchten die ersten „nassen“ Kompasse dann vermutlich gegen Ende des 12. Jahrhunderts auf. Ob es sich dabei um eine eigenständige Entwicklung handelt, oder ob die Araber das Wissen über die chinesische Erfindung nach Europa mitbrachten, ist bis heute nicht endgültig geklärt.
Flavio Gioia aus Amalfi könnte vielleicht derjenige gewesen sein, der das Prinzip des nassen Kompasses weiterentwickelte, indem er die Magnetnadel trocken und gut beweglich auf einer feinen Spitze platzierte. Aber sicher ist auch das nicht, denn es ist unklar, ob Gioia überhaupt jemals gelebt hat…
Stand: 15.08.2008