Doch was lässt diese feinen Härchen so extrem gut haften? Um zwei Oberflächen – in diesem Fall den Geckofuß und eine Wand – in engem Kontakt aneinander zu binden, kommen theoretisch immerhin elf verschiedene Kräfte und Wechselwirkungen in Frage. Aber welche davon nutzt der Gecko? Als aussichtsreichste Kandidaten gelten einerseits die Kapillarkraft, andererseits die so genannten van-der-Waals-Kräfte.
Einfache Ladungsunterschiede…
Van-der-Waals-Kräfte treten zwischen zwei Atomen oder Molekülen auf, deren elektrische Ladung asymmetrisch verteilt ist: an einem Ende des Moleküls überwiegt die negative Ladung, am anderen die positive. Die Anziehungskräfte zwischen den jeweils entgegen gesetzten Ladungen zweier Moleküle sorgen für eine schwache Bindung zwischen ihnen. Diese Kraft wirkt jedoch nur auf sehr kurze Entfernungen, die Moleküle müssen sich dafür fast berühren. Unebenheiten oder Verunreinigungen schwächen diese Anziehungskraft, von Natur aus stark asymmetrische, polare Substanzen stärken die Ladungsdifferenzen und damit auch die Haftkraft.
…oder doch die Haltekraft des Wassers?
Kapillarkräfte dagegen beruhen auf der Bildung eines dünnen Wasserfilms zwischen zwei Oberflächen. Sie lassen beispielsweise das Wasser in den dünnen Leitungsbahnen der Pflanzen oder einem Glasröhrchen in die Höhe steigen. Gleichzeitig bewirken sie aber auch eine Anziehung – Adhäsion – zwischen den beiden durch den Wasserfilm verbundenen Oberflächen. Voraussetzung für die Entstehung von Kapillarkräften ist jedoch das Vorhandensein von Wasser. Klar war jedoch, dass das „trockene“ Haftsystem des Geckos in jedem Fall ohne eigene Sekretausscheidung – wie man sie zum Beispiel von Fliegen kennt – funktioniert.
1:0 für van-der-Waals
Eine Forschergruppe um Kellar Autumn am Lewis & Clark College in Portland, Oregon hält daher die van-der-Waals-Kräfte für entscheidend. Im Jahr 2002 führten die Wissenschaftler Experimente durch, bei denen sie die Haftung von ganzen Geckozehen, aber auch einzelnen Setae an verschiedenen Wasser abweisenden und Wasser anziehenden Oberflächen testeten. In weiteren Versuchen spannten sie künstlich hergestellte Geckohaare aus Polymeren in eine Messapparatur ein, um auch deren Haftverhalten zu ermitteln.
Das Ergebnis: Die „Klebkraft“ sowohl der ganzen Zehen als auch der einzelnen Setae war an Wasser abweisenden und Wasser anziehenden Oberflächen nahezu gleich. Wären aber Kapillarkräfte im Spiel, müsste die Haftung an den Wasser abweisenden Oberflächen deutlich geringer ausfallen. Für Autumn stand daher fest: „Nach diesen Versuchen können wir nun endlich die 30 Jahre alte Theorie der Wasseradhäsion widerlegen.“ Für die Bioniker folgte daraus, dass der Entwicklung von „trockenen“ künstlichen Haftstrukturen nichts mehr im Wege stand. Stehen van-der-Waals-Kräfte im Vordergrund, könnten solche Materialien unter Wasser sogar genauso gut „kleben“ wie an der Luft.
Stand: 23.03.2007