Die Kleinstadt Beebe im US-Bundesstaat Arkansas. Ruhig und beschaulich geht es hier normalerweise zu. Nur ein Campus der Arkansas State University sorgt für Leben und ein bisschen „frischen Wind“. Typisch amerikanische Provinz eben. Doch kurz vor Mitternacht in der Silvesternacht 2010 ist es mit der Ruhe urplötzlich vorbei.
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Schuld daran sind nicht etwa Silvesterparties, sondern Vögel. Genauer gesagt tote Vögel. Ohne jede Vorwarnung fallen sie in Beebe in Massen herab. Innerhalb kürzester Zeit sind Straßen, Vorgärten, Hausdächer und Balkone dicht an dicht von leblosen Kadavern bedeckt.
Ein Regen toter Vögel
Besorgte Autofahrer und andere aufgeschreckte Bürger Beebes wenden sich sofort an das lokale Büro der Arkansas Game and Fishing Commission (AGFC) und melden die seltsamen Vorgänge in der Stadt. Innerhalb weniger Minuten laufen dort die Telefone heiß, die Meldungen häufen sich. Deshalb macht sich AGFC-Mitarbeiter Robby King umgehend auf den Weg, um mal vor Ort nach dem Rechten zu sehen.
In Beebe angekommen, findet er tatsächlich hunderte abgestürzte Vögel vor. Die meisten sind bereits tot, einige andere liegen in den letzten Zuckungen. Doch damit nicht genug: „Auch kurz nachdem ich ankam, regneten noch immer Tiere vom Himmel“, beschreibt King später die dramatische Situation vor Ort. „Es war teilweise schwer überhaupt auf der Straße voranzukommen, ohne sie zu überfahren.“
5.000 Tierleichen
King sammelt 65 der Kadaver ein und schickt sie eilends an die Labore der Arkansas Livestock and Poultry Commission und des National Wildlife Health Center des U.S. Geological Survey in Madison im Bundesstaat Wisconsin. Die Experten für Tierkrankheiten und –pathologie sollen schnellstmöglich die Todesursache feststellen.
Das ganze Ausmaß des Vogelsterbens wird dann am nächsten Morgen deutlich. Nach einem Hubschrauberflug und diversen Kontrollgängen in Beepe schätzen Mitarbeiter des AGFC um die Chef-Ornithologin Karen Rowe, dass etwa 5.000 Vögel Opfer des tödlichen Phänomens wurden. Was die ganze Sache noch mysteriöser macht, ist, dass die Tiere offenbar nur in einem eng umgrenzten Areal von nicht einmal zwei Kilometer Größe verendeten.
Rotschulterstärlinge als Opfer
Betroffen sind fast ausschließlich so genannte Rotschulterstärlinge, die häufig – wie unsere heimischen Stare – in großen Schwärmen auftreten und gelegentlich auf der Suche nach Nahrung große Schäden in der Landwirtschaft anrichten. Die rund 20 Zentimeter großen Tiere gehören zu den häufigsten Singvögeln Nordamerikas.
Aufruhr in Beebe
Mit der Ruhe in Beebe ist es jedenfalls erst einmal vorbei. Denn für verschiedene US-Medien ist das Massensterben ein gefundenes Fressen. Zahlreiche Reporter und Journalisten berichten direkt von vor Ort. Die Bilder von verendeten Rotschulterstärlingen und von Männern in High-Tech-Schutzanzügen, die die toten Tiere aufsammeln und entsorgen, gehen durch das ganze Land. Die große Frage, die alle beschäftigt: Was ist Schuld an dem tausendfachen Tiertod?
Zumindest eine mögliche Ursache können die AGFC-Wissenschaftler von vornherein mit ziemlicher Sicherheit ausschließen: eine Seuche. Denn sonst hätten kranke Vögel oder Kadaver auch außerhalb der kleinen Todeszone auftauchen müssen. Etwa an einem bekannten Schlaf- und Rastplatz für Rotschulterstärlinge innerhalb der Ortsgrenzen von Beebe. Doch Fehlanzeige. „Nur eine Autopsie kann jedoch letztlich sicher bestimmen, ob die Vögel an einem Trauma oder an Gift starben“, sagt Rowe am 1. Januar 2011. Und die ist ja bereits eingeleitet…
Dieter Lohmann
Stand: 14.01.2011