Wird Autismus diagnostiziert, beginnt die Suche nach geeigneten Therapieangeboten. In der Regel stützt sich die Behandlung der Entwicklungsstörung auf verhaltenstherapeutische und übende Ansätze. Dabei wird versucht, störende und von der Gesellschaft als unangemessen wahrgenommene Verhaltensweisen abzubauen sowie die sozialen und kommunikativen Fähigkeiten der Betroffenen zu stärken.
Aufgezwungenes Verhalten
Extreme Formen solcher Therapien sind unter manchen Autisten allerdings umstritten: Sie kritisieren, dass den Betroffenen damit ein Verhalten aufgezwungen wird, das ihrer Natur widerspricht. Tatsächlich wünschen sich vor allem viele Menschen mit Asperger-Syndrom gar keine Behandlung. Sie betrachten sich nicht als krank, sondern einfach als „nicht-neurotypisch“.
Trotzdem geht die Suche nach neuen Behandlungsmöglichkeiten auch jenseits verhaltenstherapeutischer Maßnahmen weiter. Denn während Menschen mit leichten Formen der Entwicklungsstörung das Autistische als Teil ihrer Persönlichkeit schätzen mögen und mit all ihren Besonderheiten ein zufriedenes Leben führen, könnten gerade Betroffene mit schweren Ausprägungen des frühkindlichen Autismus und ihre Familien von Therapien profitieren. Für sie bedeutet die Diagnose nämlich, lebenslang auf Hilfe und Unterstützung angewiesen zu sein.
Krebsmedikament zweckentfremdet
Bei der Erforschung potenzieller Therapieansätze ist jüngst ein Krebsmedikament in den Fokus von Medizinern gerückt. Bekannt war, dass einige der mit Autismus assoziierten epigenetischen Veränderungen am Erbgut auch das Risiko für Tumore erhöhen. „Es lag daher quasi auf der Hand, ein epigenetisch wirksames Krebsmedikament für die Therapie von Autismus zweckzuentfremden“, erklärt Studienautorin Zhen Yan von der State University of New York in Buffalo.
Genau dies hat das Forscherteam mit Romidepsin gemacht – und erstaunliche Resultate erzielt. Zumindest bei Mäusen schaffte es der Wirkstoff offenbar, bestimmte Expressionsfehler im Genom zu korrigieren. Dadurch verschwanden bei den mit dem Mittel behandelten Tieren einige der für die Entwicklungsstörung typischen Auffälligkeiten im Sozialverhalten.
Ein neues Tiermodell
Trotz einzelner, vielversprechender Ergebnisse gestaltet sich die Erforschung neuer Therapieansätze insgesamt allerdings schwierig. Dies liegt auch daran, dass bisher ein gutes Tiermodell fehlte. Doch das könnte sich nun geändert haben: Wissenschaftler haben mithilfe der Genschere CRISPR/Cas9 vor kurzem Javaneraffen mit Genmutationen ausgestattet, die auch bei einigen Autisten auftreten. Das Gehirn dieser Makaken ist dem menschlichen sehr ähnlich – sie sind daher besser für medizinische Studien geeignet als etwa Mäuse.
Die Affen entwickelten als Folge des Eingriffs Verhaltensauffälligkeiten wie repetitives Verhalten und das Meiden von Blickkontakt. Außerdem verbrachten die betroffenen Tiere weniger Zeit mit sozialen Tätigkeiten wie dem Spielen oder der Fellpflege. Doch die Affen glichen menschlichen Autisten nicht nur vom Verhalten her. Auch in ihrem Gehirn zeigten sich die für Betroffene typischen Veränderungen in der funktionellen Konnektivität einzelner Hirnbereiche.
Nach Ansicht der Forscher könnten sich diese Affen damit als künftiges Tiermodell für Autismus eignen und dabei helfen, wirksame Therapien zu entwickeln. „Noch wissen wir zwar nicht, ob es uns gelingt, mithilfe dieses Modells neue Behandlungen zu entwickeln, wir hoffen aber, dies schon in den nächsten paar Jahren herauszufinden“, so ihr Fazit.