Sultan ist ausgesprochen hungrig. Eine Banane wäre da genau das Richtige. Das Problem für den Schimpansen ist nur: Die ersehnte Frucht liegt jenseits seines Käfigs außerhalb seiner Reichweite. Auch die beiden Stöckchen, die der Psychologe Wolfgang Köhler dem Affen gegeben hat, scheinen ihm wenig zu helfen. Schließlich fallen sie ziemlich kurz aus. Was also tun?
Könnten Menschen und auch Tiere nur über Konditionierung lernen, wäre an dieser Stelle die Geschichte zu Ende und Sultan wäre hungrig geblieben. Doch es kam anders. Tatsächlich mühte sich Sultan lange Zeit vergeblich mit den beiden kurzen Stöcken ab. Frustriert und schmollend hockte er in seinem Käfig. Doch dann hatte Sultan die rettende Idee. Er wandte sich den Stöcken zu und steckte sie ineinander. Mit der nun längeren Stange konnte er die begehrte Frucht ergattern.
Echte Einsicht statt Versuch und Irrtum?
Im Rahmen seiner Versuche in den 1920er Jahren interpretierte der Psychologe Wolfgang Köhler Sultans Vorgehen als einen Fall von einsichtigem Lernen. So löste der Affe das Problem plötzlich und nicht erst allmählich durch Versuch und Irrtum. Hatte er die Nuss einmal geknackt, konnte er das Problem außerdem immer wieder lösen. Zudem waren Köhlers Schimpansen in der Lage, ihre Einsichten zu verallgemeinern und auch auf neue Probleme zu übertragen.
Sultan stapelte nicht nur herumliegende Kisten, um an weit oben hängende Bananen zu kommen. In einem weiteren Fall nutzte er diese Idee, um mit anderen Hilfsmitteln das gleiche Ziel zu erreichen. Dabei war er nicht immer wählerisch. Einmal musste gar Wolfgang Köhler selbst herhalten und ihm als Podest dienen.
Menschen, aber auch manche Tierarten, lernen demnach nicht nur allmählich durch Versuch und Irrtum. Beim Lösen von Problemen kommen sie zu plötzlichen Einsichten. Diese können sie verallgemeinern und auf andere Probleme übertragen.
Dr. Christian Wolf / dasGehirn.info – Gemeinnützige Hertie-Stiftung, Neurowissenschaftliche Gesellschaft e. V., ZKM | Zentrum für Kunst und Medientechn.
Stand: 18.01.2013