Astronomie/Kosmologie

Supernova als Geburtshelfer

Verdankt die Sonne ihre Existenz einer Sternexplosion?

Astronomen gehen davon aus, dass unser Planet im Laufe seiner gut 4,5 Milliarden Jahre langen Geschichte schon mehrfach den Folgen einer nahen Supernova ausgesetzt war. Es könnte sogar sein, dass unser Sonnensystem seine Entstehung einer solchen Sternexplosion verdankt.

Protostern
Ein neuer Stern entsteht, wenn das Gas seiner Sternenwiege durch Turbulenzen erschüttert wird und in sich zusammenfällt. Im Zentrum verdichtet es sich zu einem Protostern. © NASA/JPL-Caltech/R. Hurt (SSC)

Ein Isotop als erstes Indiz

Sterne wie unsere Sonne entstehen normalerweise, wenn die dichte, kühle Molekülwolke ihrer Sternenwiege unter ihrer eigenen Schwerkraft kollabiert. Dies geschieht meist dann, wenn das fragile Gleichgewicht gestört wird – beispielsweise durch einströmende Gase oder Erschütterungen, wie sie eine nahe Supernova auslöst. Durch diese Turbulenzen wird die Molekülwolke an einigen Stellen so stark komprimiert, dass das Gas in sich zusammenfällt, sich weiter verdichtet und im Zentrum dieser Zone ein prästellarer Kern entsteht. Dieser wächst dann durch Anziehen weiteren Materials zu einem Protostern und schließlich zu einem jungen Stern heran.

Auch für unser Sonnensystem könnte eine nahe Supernova zum „Geburtshelfer geworden sein. Ein erstes Indiz dafür entdeckte ein Team um Nicolas Dauphas von der University of Chicago bereits im Jahr 2010: Bei Analysen von tausenden Partikeln aus zwei kohlenstoffhaltigen Gesteinsmeteoriten fanden sie signifikant erhöhte Werte des Isotops Chrom-54 – einer Atomsorte, die gängiger Annahme nach in Supernovae entsteht.

Die Anreicherung dieses Isotops im Material der aus der Frühzeit des Sonnensystems stammenden Meteoriten spricht nach Ansicht der Forscher dafür, dass es vor rund 4,5 Milliarden Jahren eine Supernova in der Geburtswolke der Sonne gegeben haben muss. Diese Sternenexplosion durchsiebte damals die Urwolke mit einem Partikelregen, dessen Relikte in diesen Meteoriten erhalten blieben. „Es ist wahrscheinlich, dass mindestens ein massereicher Stern Material zum Sonnensystem oder zu dem, was später das Sonnensystem wurde, beigetragen hat“, erklären die Forscher.

Jungsterne in Sternenwiege
Die meisten Sterne entstehen gemeinsam mit vielen anderen, wie hier die bläulich leuchtenden Jungsternen in der Sternbildungsregion N90. © NASA/ESA, Hubble Heritage Team (STScI/AURA)

Explosives Gedrängel

Für dieses Szenario spricht auch die Tatsache, dass unsere Sonne kein „Einzelkind“ war, sondern als Teil eines dichten Clusters mit mehr als tausend stellaren Geschwistern geboren wurde. Erst nachträglich wurden diese Sterne durch galaktische Strömungen und Gezeitenkräfte zerstreut. 2018 gelang es Astronomen, eines dieser verschollenen Geschwistersterne der Sonne aufzuspüren: Der „Sonnenzwilling“ liegt heute rund 184 Lichtjahre von uns entfernt.

Das Entscheidende jedoch: „In der sternendichten Umgebung der solaren Kindestube muss es mehrere massereiche Sterne von mehr als 20 Sonnenmassen gegeben haben“, erklären Simon Portegies Zwart von der Universität Leiden und seine Kollegen. Weil solche stellaren Schwergewichte schon nach wenigen Millionen Jahren wieder als Supernova explodieren, ist es ihrer Ansicht nach sehr wahrscheinlich, dass es im Umfeld der werdenden Sonne damals mindestens eine nahe Sternexplosion gegeben hat.

Ursache für Sonnensystem-Anomalien?

Ein weiteres Indiz für eine Supernova als Geburtshelfer der Sonne könnten zwei Anomalien unseres Sonnensystems sein: Zum einen ist die Ebene der Planeten im Sonnensystem um rund fünf Grad gegenüber dem Äquator der Sonne gekippt. Normalerweise müssten Rotationsachse des Sterns und der planetaren Scheibe aber gleich ausgerichtet sein. Zum anderen ist die planetare Zone des Sonnensystems mit 42 bis 55 astronomischen Einheiten anomal klein – typischer für einen Stern von der Masse der Sonne wäre eine Planetenscheibe von 100 bis 400 astronomischen Einheiten, wie Zwart und sein Team erklären.

Sonnensystem
Die Ebene der Planeten ist im Sonnensystem leicht gegen den Sonnenäquator geneigt. Könnte eine frühe Supernova daran schuld sein? © adventtr/ Getty images

Mithilfe eines astrophysikalischen Modells haben die Astronomen deshalb untersucht, ob eine Supernova diese Anomalien hervorgerufen haben könnte und wie nahe die Sternexplosion dafür gewesen sein muss. Das Ergebnis: „Die Schockwelle einer Supernova in rund 0,5 bis 1,5 Lichtjahren Entfernung und in einem Winkel von 365 bis 65 Grad gegenüber der solaren Urwolke könnte die Fehlausrichtung von Sonne und Planetenscheibe erklären“, so das Team.

Außerdem würde die Schockwelle die Größe der ursprünglichen Urwolke verringern: „Die Störung durch den Supernova-Schockwelle würde die äußeren Bereiche der Scheibe bis zu einer Entfernung von rund 50 astronomischen Einheiten vom Stern wegreißen“, berichten die Astronomen. „Der Scheibenbereich zwischen zehn und 50 astronomischen Einheiten würde zudem ausgedünnt, während die innere Zone im Umkreis von rund zehn astronomischen Einheiten um die Sonne kaum betroffen wäre.“ Diese Zone reicht damit etwa bis zum Saturn.

Nach Ansicht von Zwart und seinen Kollegen stützt all dies die Vermutung, dass eine nahe Supernova die Entstehung und Entwicklung unseres Sonnensystems entscheidend beeinflusst haben könnte. Doch wie sieht es mit der restlichen Geschichte unseres Planetensystems aus?

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Supernova – Gefahr für die Erde?
Auswirkungen erdnaher Sternexplosionen auf unseren Planeten

Sternentod mit weitreichenden Folgen
Welche Auswirkungen hat eine Supernova?

Die tödliche Distanz
Ab welcher Entfernung wird es gefährlich?

Supernova als Geburtshelfer
Verdankt die Sonne ihre Existenz einer Sternexplosion?

Aussterben und Isotope
Wie Supernovae die Erdgeschichte beeinflussten

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