Die Gaia-Hypothese wurde mit offenen Armen aufgenommen – allerdings leider nicht von denen, die Lovelock erreichen wollte, seine Wissenschaftlerkollegen. Stattdessen vereinnahmten zunächst Theologen und diverse esoterische „Mutter-Erde“-Gruppierungen die neue Idee einer ganzheitlichen Erde. Damit verhalfen sie Lovelocks Hypothese zwar zu schneller Bekanntheit, verfrachteten sie aber gleichzeitig in die diskreditierte Eso-Ecke und hielten damit die Geowissenschaftler effektiv davon ab, sich intensiver mit ihr auseinander zu setzen.
Erst in den 1980er Jahren setzte auch in der wissenschaftlichen Welt langsam eine Reaktion ein – vorwiegend negativ. Das war wenig verwunderlich, stand doch Lovelocks Sichtweise einer sich selbst regulierenden Erde in krassem Widerspruch zu bisher geltenden Paradigmen.
Nicht nur, dass Gaia in revolutionärer Weise die strenge Trennung in der Betrachtung von anorganischen Einflüssen auf die Erde und dem Leben darauf durchbrach, das Ganze klang auch verdächtig nach einer teleologischen Betrachtungsweise. Einige Forscher warfen Lovelock vor, der Erde mit der Selbstregulation auch eine Absicht, eine zielgerichtete Entwicklung zu unterstellen – eine Kritik, die fast einem Totschlagsargument gleichkam, galt doch diese Sichtweise als zutiefst unwissenschaftlich.
Doch Lovelock und seine Mitstreiterin, die Mikrobiologin Lynn Margulis, wehrten sich vehement gegen diese Anschuldigung. Für ihn war Gaia zwar ein reagierendes System, verfügte aber weder über Bewusstsein, Voraussicht noch Intention: „Weder ich noch Lynn Margulis haben jemals behauptet, das die planetarische Selbstregulation zielgerichtet ist.“
Stand: 21.01.2003