Jeden Tag schauen wir unzähligen Menschen ins Gesicht. Die Fähigkeit, das Antlitz unserer Mitmenschen wiederzuerkennen und zu unterscheiden ist für unser Sozialverhalten entscheidend. Es ist sogar so wichtig, dass unser Gehirn spezielle Zentren für die Gesichtserkennung entwickelt hat und in ihm das Aussehen bestimmt, bekannter Menschen in jeweils eigenen Neuronen abspeichert: Ein Blick genügt und wir wissen, wen wir vor uns haben.
Gefälschte Fotos und Videos zuhauf
Doch diese Gewissheit schwindet im Zeitalter der digitalen Medien zunehmend. Denn Fotos und Videos auf dem Bildschirm zeigen heute längst nicht immer reale Abbilder der Wirklichkeit. Stattdessen werden Köpfe ausgetauscht oder ganze Personen in Szenen hineinmontiert. Dadurch lassen sich vermeintliche Beweisfotos von Situationen erzeugen, die es so nie gegeben hat. In Videos werden die Mundbewegungen der hineinmontierten Person dann digital so angepasst, dass man ihnen mithilfe einer Stimm-Imitations-Software nahezu beliebige Aussagen in den Mund legen kann.,
Trotz unserer hochentwickelten Gesichtserkennungs-Fähigkeiten wird es für uns immer schwieriger, solche Fälschungen zu erkennen. So gaukelte ein Deepfake im Sommer 2022 beispielsweise den Bürgermeistern der Städte Berlin, Madrid und Wien vor, dass sie in einer Videokonferenz mit Vitali Klitschko, dem Bürgermeister von Kiew, sprachen – was nicht der Fall war. Kurz nach Beginn des Ukrainekrieges kursierte zudem ein Video in den sozialen Medien, in denen in dem der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Niederlage im Krieg gegen Russland und die Kapitulation zu erklären schien. Auch das natürlich ein Deepfake.
Oft täuschend echt
YouTube ist voll von solchen Videos, die mal besser, mal schlechter gemacht sind. „Es ist schon noch viel Arbeit, aber wer will, der schafft es, zum Beispiel das Gesicht einer berühmten Persönlichkeit so gekonnt auf einen anderen Körper zu montieren, dass man es auf den ersten Blick nicht bemerkt“, sagt Jonas Ricker von der Ruhr-Universität Bochum (RUB). Er hat sich für seine Doktorarbeit an der Fakultät für Informatik auf gefakte Bilder spezialisiert. Im Mittelpunkt seiner Arbeit stehen allerdings nicht Videos, sondern Fotos.
„Bei älteren Verfahren kann man manchmal sehen, dass es Auffälligkeiten bei der Symmetrie gibt“, erklärt der Forscher. „Zum Beispiel sind verschieden aussehende Ohrringe verräterisch oder asymmetrische Brillengläser. Aber die Methoden werden immer besser, und Studien haben belegt, dass Menschen bei der Unterscheidung echter und gefälschter Bilder eher schlecht sind.“
Können Sie Deepfakes erkennen?
Wie perfekt die gefälschten, künstlich erzeugten Gesichter heute teilweise schon sind, demonstrieren gleich mehrere Projekte und Seiten im Netz. Ricker kann auf Anhieb mehrere Links aus dem Ärmel schütteln, unter denen man zum Beispiel Bilder von Personen anschauen kann, die nicht existieren, oder raten kann, ob das Bild einer gezeigten Person echt ist oder nicht.
Wer es selbst einmal ausprobieren möchte, kann seine Fähigkeiten zum Erkennen von Deepfakes beispielsweise auf der Website „Which Face is real“ der University of Washington auf die Probe stellen. Eine Abfolge fotorealistischer, aber komplett künstlich generierter Porträtbilder zeigt zudem die Seite „This Person does not exist“ – bei jedem Neuladen erscheint ein weiteres Fake-Gesicht.