Wenn wir in natürlichen Situationen Menschen wiedererkennen, stehen uns in der Regel viele verschiedene Hinweise zur Verfügung. Nur selten müssen wir uns auf Bewegungen als einzige Informationsquelle verlassen. In psychologischen Experimenten können die Wissenschaftler die unterschiedlichen Informationsquellen trennen und ihre Bedeutung separat untersuchen.
Um Bewegungsmuster von anderen Hinweisen weitgehend zu entkoppeln, bedienen sich die Forscher einer Methode, die der schwedische Psychologe Gunnar Johannson entwickelte. Er führte diese Technik in den 1970er Jahren in die experimentelle Psychologie ein. Johannson hatte Testpersonen dunkel angezogen und sie in einem abgedunkelten Raum so gefilmt, dass von ihnen selbst nichts zu sehen war. Die Zuschauer konnten lediglich die Reflexionen von rückstrahlenden Folien erkennen, die an den zentralen Gelenken des Körpers befestigt waren.
Solange sich die Menschen nicht bewegten, erschienen die circa 10 bis 15 Reflektionsfolien als isolierte, nicht zusammenhängende Lichtpunkte. Sobald die Personen aber zu laufen begannen, bewegten sich die Reflektionsfolien mit. In den so entstehenden so genannten Punktlicht-Displays wurden innerhalb von Sekundenbruchteilen sich bewegende Menschen erkennbar. Nach nur etwa zwei Sekunden ließen sich mit großer Wahrscheinlichkeit Männer und Frauen unterscheiden und den Bewegungsmustern andere biologisch und sozial relevante Merkmale entnehmen.
Im Labor „BioMotionLab“ machen sich die Forscher eine moderne Variante dieser Technik zunutze, mit der die Bewegung quantitativ erfasst wird, um sie dann zu analysieren, eventuell gezielt zu manipulieren und schließlich wieder zu visualisieren. Am Körper der Probanden werden kleine, reflektierende Markierungen befestigt. Mit einem Bewegungserfassungssystem, das aus neun Kameras besteht, werden die Positionen dieser Marker mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung dreidimensional aufgezeichnet. Die Datenbasis umfasst bisher etwa hundert Personen – zu gleichen Anteilen Männer und Frauen -, von denen jeweils eine ganze Reihe von Bewegungen erfassen wird: vom einfachen Gehen bei unterschiedlichen Geschwindigkeiten über rennen, werfen, hinsetzen, anklopfen bis zum Aufheben eines Gegenstandes. Zur Zeit untersuchen die Forscher vor allem normales Gehverhalten. Obwohl Gehen primär der Fortbewegung dient, enthält das Bewegungsmuster vielfältige Information über die gehende Person.
Stand: 11.06.2004