Kontinentale Grabensysteme sind im Rahmen der geologischen Entwicklung der Erde immer wieder entstanden. Allesamt liefern sie wichtige Erkenntnisse darüber, wie die Erde wurde, was sie heute ist. Eine besondere Rolle spielen Riftseen wie der Baikal.
Mit einer Tiefe von acht bis neun Kilometern gehört das Baikalrift zu den tiefsten aktiven Gräben der Erde. Sieben Kilometer dick sind dabei allein die Sedimentschichten, die sich im Laufe der Laufe der Jahrmillionen im Baikalsee angesammelt haben. Zu einem großen Teil stammen die Ablagerungen aus der Fracht des wichtigsten Zuflusses des Baikals, der Selenga. Unbeeinflußt von marinen Systemen und seit 23 Millionen Jahren frei von Vergletscherung ist hier ein ideales Untersuchungsobjekt für tektonische und klimatische Veränderungen in der Erdgeschichte entstanden.
„Tatort“ nördlicher Baikalsee: Im Frühjahr 1996 werden zum zweiten Mal nach 1993 Sedimentkerne im Rahmen des Baikal Drilling Programs (BDP) erbohrt. 200 Meter tief, 100 Meter mehr als vor drei Jahren, ist man in die Sedimentfolge des Baikalsees eingedrungen, als die Bohrung endgültig gestoppt wird. Entscheidend beteiligt an diesem Projekt sind neben russischen, amerikanischen und japanischen Forschern auch Wissenschaftler vom GeoForschungszentrum Potsdam und vom Alfred Wegener Institut Potsdam. Die Sedimentkernanalysen sollen helfen, die klimatische, die geologische und die ökologische Entwicklungsgeschichte der Region zu entschlüsseln. Man erhofft sich aber auch neue Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen kontinentalem und marinem Klima und deren Zusammenwirken auf das globale Klima. Genauso wichtig ist es allerdings, mehr darüber zu erfahren, wie es zum Auseinanderbrechen von Kontinenten kommt, und durch welche Prozesse sich anschließend neue Ozeane bilden. So wie es vor Jahrmillionen beim Atlantischen Ozean geschah.
Erste Auswertungen der Bohrkerne lassen bereits handfeste Ergebnisse erwarten. So konnte die Wissenschaftler mithilfe von Pollenanalysen ermitteln, dass in der Zeit zwischen 3,5 und 2,5 Millionen Jahren vor heute eine deutliche Abkühlung in der Baikal-Region stattgefunden hat. Da marine Kerne ähnliche Resultate ergeben haben und sich dieser Zeitraum mit dem Beginn der flächenhaften Vergletscherung der nördlichen Hemisphäre deckt, schließt man daraus, dass die globale Klimaentwicklung im Meer und an Land sehr ähnlich abgelaufen sein muss. Für 1998 und 1999 waren weitere Bohrungen geplant, die mit einer Tiefe von 1000 Metern in ganz neue Dimensionen vorstoßen sollten. Resultate dieser Bohrungen sind bisher noch nicht bekannt geworden.
Aber das BDP ist noch lange nicht abgeschlossen. Noch „wehren“ sich vor allem die ältesten Ablagerungen gegen eine Erkundung durch den Menschen. Für extrem tiefe Bohrungen im Baikalsee reichen die technischen Möglichkeiten zurzeit einfach nicht aus. Deshalb kann es noch einige Jahre dauern, bis der Baikalsee alle seine geologischen und tektonischen Geheimnisse preisgegeben haben wird. Für Spannung ist also weiterhin gesorgt.
Stand: 07.12.1999