Die Messungen des Schwerefelds durch Satelliten verraten auch langfristige Veränderungen in der Verteilung von Wasser und Eis auf der Erde. So zeigen sie in Skandinavien und Nordamerika Bereiche, in denen die Erdkruste aufzusteigen scheint. Dies geht auf die postglaziale Hebung der Landmassen nach dem Rückzug der Eisschilde der letzten Eiszeit zurück. Die damaligen kilometerdicken Eispanzer drückten die Erdkruste nach innen, seitdem sie abgeschmolzen sind, federt die Erdkruste wieder zurück – allerdings im Zeitlupentempo: Es geht um Bewegungsraten bis zu einem Zentimeter pro Jahr, die auch mit anderen geodätischen Messtechniken wie GPS oder aus geologischen Analysen festgestellt werden können.
Hotspots des Abschmelzens
Das Beunruhigende an den auf der GRACE-Mission beruhenden Messungen sind aber Daten für Grönland und die Westantarktis. Denn sie zeigen, dass dort Veränderungen im Schwerefeld auftreten, die ein bloßes Zurückfedern der Erdkruste hinausgehen. Der Grund: Vom grönländischen Eisschild schmelzen zurzeit etwa 300 Gigatonnen Eis pro Jahr ab.
Zum Vergleich: eine Gigatonne entspricht der Wassermasse in einem Würfel mit einem Kilometer Kantenlänge. Wenn 300 solcher Eiswürfel pro Jahr abschmelzen, bewirkt das einen mittleren Meeresspiegelanstieg von etwa 0,85 Millimeter pro Jahr. Zahlenmäßig mag das vielleicht gering erscheinen. Über den Zeitraum der GRACE-Satellitenmission aber sind die Ozeane im Schnitt allein wegen Grönland um fast einen Zentimeter gestiegen. GRACE hat auch bereits Hinweise darauf geliefert, dass sich der Abschmelzvorgang beschleunigt.
Auch Eismassen haben eine Anziehung
Der durch solche Messungen berechnete Meeresspiegelanstieg stellt immer nur einen Schnittwert über die ganze Ozeanfläche dar. In Wirklichkeit wird aber das Schmelzwasser nicht gleichmäßig über die Ozeane verteilt, gleichzeitig übt auch eine große Masse wie das grönländische Eisschild eine eigenen Schwerkraftwirkung: Es zieht das Wasser des Meeres ein bisschen an, dadurch ist der Meeresspiegel in der Nähe dieser Massen oft etwas höher. Wenn das Eis schmilzt, sinkt diese Anziehungskraft Grönlands und es zieht das Wasser im umliegenden Meer in geringerem Maße an. Der lokale Meeresspiegel kann sich dadurch sogar senken. Das Abschmelzen von Grönland muss sich also auf Europa nicht negativ auswirken, wenigstens nicht was den Meeresspiegelanstieg betrifft.
Die GRACE-Messungen zeigen auch, dass die Antarktis Eis verliert, vor allem in der Westantarktis. Das Ausmaß beträgt etwa 180 Gt/Jahr, was einem mittleren Meeresspiegelanstieg von 0,5 Millimetern pro Jahr entspricht. Den Schwerefeldmessungen nach verlieren aber auch Inlandgletscher wie in Alaska und Patagonien an Masse. Verglichen mit Grönland und der Westantarktis fällt dies vielleicht weniger ins Gewicht. Das Abschmelzen ist aber ein klares Indiz für den globalen Wandel.
Flüsse, Grundwasser und Erdbeben hinterlassen Schwere-Spuren
Selbst kleinräumigere Änderungen in der Wasserverteilung sind durch die Satellitengravimetrie auszumachen – wie beispielsweise die Wassermenge in Flussbecken. Der Amazonas scheint nach solchen Messungen schwerer, also nasser, zu werden, genauso wie der Sambesi. In Kalifornien, im mittleren Osten und in Nordindien deuten die Daten dagegen klar auf eine Grundwasserentnahme für Bewässerungszwecke hin. Wenn das Wasser abgepumpt ist, verdunstet es schnell und dies macht sich als Verringerung des Schwerefelds bemerkbar.
Interessant ist auch die Änderung des Schwerefeldes durch das Sumatra-Andaman Erdbeben, Dezember 2004. Selbstverständlich geht es hier nicht um einen langsamen Bewegungsvorgang, die man in Zentimeter pro Jahr ausdrücken sollte, sondern um eine ruckartige Änderung des Schwerefeldes. Ob der Stärke der Massenänderung hat sich dieser Sprung in die Karte eingeschlichen. Es zeigt auf jeden Fall, dass die GRACE-basierten Schwerefeldänderungen nicht nur Objekt der hydrologischen Forschung und Eisforschung ist, sondern auch der Geophysik.
Nico Sneeuw, Mohammad J. Tourian, Balaji Devaraju / Universität Stuttgart
Stand: 06.09.2013