Hundert oder mehr solcher Systeme können im Prinzip künstliche Netzwerke mit zehn Millionen Neuronen und 100 Milliarden Synapsen realisieren. Dies entspräche tausend Kubikmillimetern Kortex und würde rund zehn Prozent derjenigen Region des menschlichen Kortex ausmachen, die für einen Teil der visuellen Leistung des Menschen verantwortlich ist. Derartige technische und physikalische Entwicklungsarbeiten sind möglich, weil wir im ständigen wissenschaftlichen Austausch mit Kollegen aus der Neurobiologie stehen, was uns in die Lage versetzt, neueste neurobiologische Ergebnisse unmittelbar in elektronische Schaltungen umzusetzen.
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Neue Einblicke in Selbstorganisation und Lernen
Als Ergebnis erhoffen sich die Forscher neue Erkenntnisse auf zwei Arbeitsgebieten, die recht verschieden voneinander sind. Zum einen sollen die Funktionsprinzipien der neuronalen Informationsverarbeitung experimentell untersucht und mit biologischen Resultaten verglichen werden. Aufschlussreiche Erkenntnisse könnten sich vor allem aus der neuen Möglichkeit ergeben, die Dynamik komplexer neuronaler Schaltungen über große Zeitskalen zu verfolgen. Die biologische Zeitskala von Millisekunden bis hin zu Jahren kann durch die neue Elektronik auf Nanosekunden bis Minuten komprimiert werden. Das bietet einen Zugang, um Prozesse der Selbstorganisation und des Lernens zu untersuchen.
Neue Computer-Architekturen
Für den Physiker interessant ist vor allem das zweite Projektziel: das Entwickeln neuer Architekturen zum Verarbeiten von Informationen, in denen Eigenschaften wie Fehlertoleranz und Energieeffizienz bereits „konzeptionell“ eingebaut sind. Für die zukünftige Nutzung neuer Bauelemente, etwa molekulare Schalter oder Kohlenstoff-Nanoröhren, werden solche Konzepte unter Umständen sehr bedeutend – und Computer nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns vielleicht doch eines Tages möglich sein.
Karlheinz Meier / Universität Heidelberg / Ruperto Carola
Stand: 31.10.2008