Mit der Dual-Energy-CT können Forscher auch die Kontraste zwischen verschiedenen Geweben und Materialien verbessern. Dadurch lassen sich beispielsweise Salben und Binden, die während des Mumifizierens auf den Kopf und das Gesicht des Verstorbenen aufgebracht wurden, vom körpereigenen Gewebe unterschieden. Dies ist eine wichtige Voraussetzung, um das Aussehen eines Verstorbenen zum Zeitpunkt seines Todes mittels CT zu rekonstruieren. Mit herkömmlicher Computertomografie war dies jedoch nur bedingt möglich.
Eine Mumie bekommt ein Gesicht
Für ihr Forschungsprojekt testeten die Mannheimer Forscher die Eignung der Dual-Source- CT dafür an einer ägyptischen Mumie, die ihnen das Naturhistorische Museum Basel zur Verfügung gestellt hatte. Über die Schnittbilder rekonstruierten sie erfolgreich die seitliche und die horizontale Ansicht des Mumienschädels. Um knöcherne Strukturen im Bild gezielt hervorzuheben, andere andere Gewebe und insbesondere Fremdmaterialien aber auszublenden, verarbeiteten die Forscher die Schnittbilder mit Hilfe eines speziellen Algorithmus.
Auch für andere Gewebearten haben die Wissenschftler die Vorteile der Dual- Energy-CT bereits getestet. So konnten sie bei einer Frauenmumie von der Südküste Perus das zusammengeschrumpfte Gehirn in der hinteren Schädelgrube deutlich von Fremdmaterial mit ähnlicher Dichte wie der des Hirngewebes unterscheiden. Mit der herkömmlichen Technik wäre das nicht möglich gewesen.
Nagel im Kopf
Die neue CT-Technik half den Forschern auch bei der Rekonstruktion eines keltischen Trophäenschädels aus dem ersten Jahrhundert v. Chr.: Durch den Schädel hatten gegnerische Krieger damals einen Nagel geschlagen, um ihn als Zeichen des Sieges an die Hauswand zu hängen. Später wurde der Schädel in einen Brunnen geworfen, wo er vor kurzem bei Ausgrabungen bei Kobern-Gondorf nahe Koblenz entdeckt wurde. Während der über 2.000jährigen Lagerung im Brunnen hat sich Kies im Innern des Schädels angesammelt.
Um den Nagel inmitten des Kieses sichtbar zu machen und den Schädel rekonstruieren zu können, scannten die Wissenschaftler ihn mit verschieden hohen Röhrenspannungen. Mit zunehmender Röhrenspannung reduzieren sich die durch das Metall des Nagels hervorgerufenen Artefakte und ermöglichten es so, den Nagel immer genauer herauszuarbeiten. Schließlich konnten die Forscher in einer dreidimensionalen Rekonstruktion Schädel und eingedrungenen Nagel detailgetreu abbilden.
Blick ins Mumien-Knie
In der Medizin wird die Dual-Energy-Technik auch benutzt, um die Sehnen und Bänder von Patienten sichtbar zu machen. Die Mannheimer Forscher wendeten die Technik daher während ihres Mumien-Forschungsprojekts auch an, um das Kniegelenk einer ägyptischen Frauenmumie zu untersuchen. Auch hier sei es gelungen, die Bänder, welche die Kniescheibe führen, und die Sehnen der Mumie entsprechend ihrer Beschaffenheit bei lebenden Patienten farblich zu visualisieren, berichten sie.
Die vorgestellten Beispiele zeigen, dass die Dual- Energy-Computertomografie das Spektrum der Untersuchungsmethoden in der anthropologischen Forschung deutlich erweitern kann. Im Unterschied zur herkömmlichen Technik erlaubt sie es, Gewebe und Materialien besser voneinander zu unterscheiden und Bildartefakte zu reduzieren. Insgesamt ergibt sich daraus eine bessere Darstellung des Körperinnern von Mumien – ein spannender Einblick, der gleichzeitig ein spannender Blick in die Vergangenheit ist.
aus Ruperto Carola, dem Forschungsmagazin der Universität Heidelberg von Thomas Henzler, Heather Gill-Frerking, Wilfried Rosendahl und Christian Fink
Stand: 16.12.2011