„Elf Freunde sollte ihr sein“: Eine Fußball-Mannschaft ist nur dann gut, wenn alle elf Spieler reibungslos und perfekt zusammenspielen. Entsprechend schwierig ist es, die optimale Besetzung auszuwählen – beispielsweise für die Nationalmannschaft. Wen nimmt man dafür? Den Stürmerstar mit den meisten Toren? Die jeweils besten ihrer Positionen? Und welche Mischung ist die erfolgversprechendste?
Geld schießt Tore?
Der Blick in die europäischen Fußball-Ligen zeigt, dass Vereine und Trainer dabei vor allem auf internationale Topspieler setzen. Sie gelten fast schon als Garant für ein gutes Abschneiden. Kann ein Verein es sich leisten, kauft er daher Spielerstars dazu – das gilt auch in der Bundesliga: 1963 kamen nur rund zwei Prozent der Fußballer in den deutschen Vereinen aus dem Ausland, heute sind es mehr als 45 Prozent. Die reichsten Clubs können die besten Spieler für ihre Mannschaft einkaufen und sind oft auch entsprechend erfolgreich – „Geld schießt Tore“.
Doch dabei gibt es Grenzen: „Mehr Talente verbessern die Teamleistung nur bis zu einem bestimmten Punkt. Über diesen Punkt hinaus wirken sich zusätzliche Superstars eher negativ aus“, erklären Roderick Swaab von der europäischen Business School INSEAD in Fontainebleau und seine Kollegen. Belege für diesen „Too much Talent“-Effekt haben sie bereits 2014 in gleich mehreren Analysen entdeckt. In diesen hatten sie untersucht, wie hoch der Anteil von Spielern aus Top-Vereinen oder dem FIFA-All Star Team in den verschiedenen WM-Mannschaften 2010 und 2014 war und wie diese Mannschaften in der Qualifikation abschnitten.
„Too much Talent“
Das Ergebnis: Bis zu einem gewissen Anteil von Fußball-Stars verbesserten Topspieler tatsächlich das Abschneiden ihrer Mannschaft. Lag ihr Anteil aber bei mehr als 60 Prozent, kehrte sich der Effekt um und die Teamleistung sank ab. Ein Beispiel ist das enttäuschende Abschneiden der französischen Elf bei der WM 2010 oder das des niederländischen Teams bei der Europameisterschaft 2012“, berichteten Swaab und sein Team. Ähnliches ergab eine Studie an Basketball-Teams der amerikanischen NBA-Liga. Dort sank die Leistung einer Mannschaft bereits ab, wenn mehr als 50 Prozent der Spieler Topstars waren.
Der Grund für diesen „Too much Talent“-Effekt sehen Swaab und sein Team im Teamplay – der Fähigkeit der Spieler, auf dem Feld miteinander zu agieren und sich aufeinander einzustellen. Beim Fußball und Basketball ist ein hohes Maß dieses Miteinander gefordert, deshalb kommen sich die oft mit großem Ego gesegneten Superstars ab einem bestimmten Punkt eher in die Quere. „Wenn Teammitglieder stark aufeinander angewiesen sind, ist es daher besser, eine Mischung aus Superstars und normalen, guten Spielern zu wählen“, so die Empfehlung von Swaab und seinen Kollegen.
Die Mathematik des Einwechselns
Neben der optimalen Anfangsaufstellung müssen Fußballtrainer jedoch auch während des Spiels flexible Personalentscheidungen treffen – beispielsweise, wenn die Mannschaft zurückliegt und das Ende des Spiels naht. Oft kann man dann beobachten, dass ein Verteidiger gegen einen weiteren Stürmer ausgetauscht wird. Die offensivere Ausrichtung des Teams soll die Chance erhöhen, doch noch ein Tor zu erzielen.
Allerdings birgt diese Strategie Risiken: Für die gegnerische Mannschaft wird es durch den fehlenden Verteidiger leichter, zum Tor durchzubrechen und ihrerseits noch einen weiteren Treffer zu erzielen. Wann also ist der Wechsel zur stürmerlastigen Offensiv-Taktik sinnvoll? Mit dieser Frage hat sich der Mathematiker Stefan Ankirchner von der Universität Jena befasst. Er nutzte mathematische Werkzeuge wie die Wahrscheinlichkeitstheorie und stochastische Optimierung, um den optimalen Wechselzeitpunkt zu ermitteln.
Das Ergebnis: Der optimale Zeitpunkt hängt vor allem von der Tordifferenz ab. Liegt die Mannschaft ein Tor hinten, sollte der Trainer dem Modell zufolge zu Beginn der 75. Spielminute einen weiteren Stürmer einwechseln. Bei zwei Toren Rückstand empfehlen die Berechnungen dagegen schon einen Wechsel in der 59. Minute, bei drei Toren sogar in der 42. Fällt der Gegentreffer erst nach der 75. Spielminute, sollte der Trainer sofort zur offensiveren Aufstellung wechseln. Diese Zeiten gelten allerdings vor allem dann, wenn nur noch einmal eingewechselt werden darf, wie Ankirchner erklärt.
Hat die Mannschaft dagegen noch mehrfache Einwechselmöglichkeiten offen, verschieben sich diese Zeiten weiter nach vorne. „Unsere Berechnungen zeigen, dass man in diesem Fall bei einem Rückstand bereits früher zu der offensiven Strategie wechseln sollte“, so der Mathematiker.