Astronomie/Kosmologie

Teilchenketten statt Ereignishorizont

Suche nach der Hawking-Strahlung im Labor

Stephen Hawking sagte die Hawking-Strahlung Schwarzer Löcher schon vor fast 50 Jahren voraus – experimentell bewiesen sie aber bis heute nicht. Die Physikerin Lotte Mertens und ihr Team arbeiten am Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung an Experimenten zum Nachweis der Hawking-Strahlung – wenn auch über Umwege: Die Niederländerin erforscht keine tatsächlichen Schwarzen Löcher und keine tatsächliche Hawking-Strahlung.

„Wir arbeiten an analogen Schwarzen Löchern, das heißt, wir untersuchen Systeme, die keine schwarzen Löcher sind, aber einige Eigenschaften mit ihnen gemeinsam haben“, sagt sie. „Auch wenn das etwas weniger aufregend ist als die Messung der echten Hawking-Strahlung, so ermöglicht es uns doch, Auswirkungen auf die Hawking-Strahlung zu messen.“

Durch Manipulation der Verknüpfungen zwischen den Atomen einer solchen Kette, kann man den Barriere-Effekt des Ereignishorizonts und die damit verbundenen Phänomene nachbilden. © Universität Amsterdam

Springende Elektronen und eine Wand

Wie funktionieren analoge schwarze Löcher? Für den im Jahr 2022 von Mertens und ihrem Team beschriebenen und simulierten Versuchsaufbau werden Atome in einer Kette angeordnet. Elektrische Impulse sorgen dafür, dass Elektronen zwischen den Atomen hin- und her hüpfen können. „Dafür benutzen wir verschiedene passive und aktive elektronische Bauelemente wie Widerstände oder Kondensatoren“, erklärt Mertens.

Wird nun der elektrische Widerstand erhöht, entsteht inmitten der Kette eine Art Wand, die auf die Elektronen einen ähnlichen Effekt haben wie der Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs auf Materie: Zwar können Partikel hinter den Horizont gelangen, doch ein Zurück ist unmöglich. Innerhalb des von Mertens erdachten Versuchsaufbaus können die Forschenden nun die von Hawking postulierte Strahlung simulieren.

In der Quantenfeldtheorie können Elektronen verschränkt sein – die Zustände beider Partner sind dann unabhängig von Ort und Entfernung miteinander verknüpft. Diese Paare dienen als Analog zu den Teilchen-Antiteilchen-Paaren der Quantenfluktuation. Im Laborexperiment kann es dazu kommen, dass nur einer der beiden verschränkten Partner den Horizont überschreitet – der andere Partner wird als Wärmestrahlung von den Detektoren gemessen. „Durch die Feinabstimmung der Bauelemente können wir dann das in der Arbeit beschriebene Modell simulieren“ erklärt Mertens.

Möglicher Nachweis schon im nächsten Jahr

Noch ist das Experiment nur auf dem Papier einsatzbereit. An der praktischen Umsetzung aber arbeiten die Dresdner Forscherinnen und Forscher aber bereits auf Hochtouren. Schon im nächsten Jahr sollen die von Mertens berechneten Strahlungen im Labor nachgewiesen werden. Sie zeigt sich optimistisch: „Der Versuchsaufbau ist mit einigen Hürden versehen, aber wir freuen uns über jeden Fortschritt.“ Den Geheimnissen um die Hawking-Strahlung könnten Mertens und ihr Team mit einem gelungenen Experiment einen Schritt näherkommen.

Die Forschungen am Zusammenspiel zwischen Quantenmechanik und Gravitation sind damit aber noch längst nicht am Ende. „Es gibt viele spannende Fragen, auf die wir keine Antwort wissen. Von einer Theorie von Allem, also einer Theorie, die Gravitation und Quantenmechanik gleichermaßen erklären kann,“ so Mertens, „sind wir noch weit entfernt.“

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Schwarze Löcher: Kein Entrinnen?
Der Hawking-Strahlung auf der Spur

Alles verschlingende Objekte
Von "Dunklen Sternen" zur Singularität

Schwarzschild, Kerr und M87*
Von der theoretischen Beschreibung zum ersten Foto

Quantenfluktuationen am Ereignishorizont
Das Phänomen der Hawking-Strahlung

Teilchenketten statt Ereignishorizont
Suche nach der Hawking-Strahlung im Labor

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