
Die „core-cusp“-Diskrepanz wird in der astrophysikalischen Literatur zurzeit heftig diskutiert. So vertreten einige Forscher den Standpunkt, dass die Nachweise eines „core“-Profilverlaufs auf systematische und methodische Fehler zurückzuführen seien. Die meisten dieser Einwände konnten aber in den letzten Jahren bereits widerlegt werden.
Ein Einwand jedoch hatte noch Bestand: Die Herleitung der Masseverteilung setzt die genaue Kenntnis der Rotationsgeschwindigkeit im Zentrum der Galaxie voraus. Ist die Masseverteilung aber nicht ideal punktsymmetrisch, so kann es zu Abweichungen von der Kreisbewegung kommen, die letztlich das stark konzentrierte Potential der dunklen Materieverteilung verwaschen erscheinen lassen würden.
Bewegung des interstellaren Wasserstoffgases analysiert

Um diesen Einwand zu untersuchen, wurde in einer Doktorarbeit am Lehrstuhl für Astronomie der Ruhr-Universität Bochum die Bewegung des interstellaren Wasserstoffgases in einer Reihe von Galaxien analysiert. Neutraler Wasserstoff in Galaxien lässt sich sehr gut durch eine atomare Spektrallinie bei Radiowellen von 21Zentimetern Wellenlänge beobachten. Will man bei diesen großen Wellenlängen aber noch Details der Bewegungsverhältnisse in Galaxien auf kleinstem Raum unterscheiden, muss man ein Radiointerferometer benutzen. Dabei werden mehrere Teleskope so zusammengeschaltet, dass die maximal erreichbare Auflösung durch den größten Teleskopabstand bestimmt wird.
Um nun Abweichungen von der Kreisbahnbewegung zu bestimmen, haben die Bochumer Forscher um Professor Ralf-Jürgen Dettmar im Rahmen einer internationalen Kollaboration die gemessenen Geschwindigkeitsfelder ausgewählter Galaxien im Detail modelliert. Dabei konnten wir sehr geringe Bewegungskomponenten in radialer Richtung nachweisen. Gerade bei den leuchtschwächeren Galaxien haben wir aber keine ausreichende zusätzliche Geschwindigkeitskomponente gefunden, die eine mögliche „cusp“-Verteilung der dunklen Materie einfach als verschmierten „core“ erscheinen ließe: Wir schließen daher aus, dass es Bewegungen gibt, die den von der Theorie geforderten „cusp“ nur verschwommen als „core“ erscheinen lassen.