Gesucht: Mikroorganismus des abenteuerlichen Typs. Einstellungsvoraussetzungen: Bereitschaft, auf zerkratzten Plastikschälchen zu wachsen, Hitzetoleranz und ein gesunder Appetit für Kohlendioxid. So ungefähr liest sich die Beschreibung dessen, was der Mikrobiologe Keith Cooksey von der amerikanischen Montana State University in den heißen Quellen des Yellowstone Nationalparks sucht.
Benötigt werden diese Mikroorganismen jedoch nicht etwa für reine Forschungszwecke, sondern um sie arbeiten zu lassen. Als winzige Mikroarbeiter sollen sie dazu beitragen, die Abgase von Kohlekraftwerken klimaverträglicher zu machen, indem sie ihnen auf biologischem Wege das Kohlendioxid entziehen. Zwar ist es bisher gelungen, die Ruß und Schwefelemissionen der Kraftwerke durch chemische Katalysatoren und Filter erheblich zu senken, aber noch immer geben sie Tonnen von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen über ihre Schornsteine in die Atmosphäre ab.
Forscher sind daher händeringend auf der Suche nach Methoden, diese Emissionen zu verringern. Biologische Verfahren stehen dabei ganz vorne auf der Liste der potentiellen Kandidaten. Einige Forscher denken sogar darüber nach, die CO2-reduzierende Wirkung des marinen Phytoplanktons zu nutzen. Sie wollen die Abgase einfach ins Meer leiten, in der Hoffnung, die Algen würden den Rest erledigen. Die Wissenschaftler eines Projektes des amerikanischen Energieministeriums sind jedoch auf eine andere Lösung gestoßen. Ihre Idee: Nicht die Abgase zu den Algen bringen, sondern die Algen in die Schornsteine.
In Form eines schleimigen Überzugs auf Plastikscheiben gezüchtet, sollen Algen als biologischer Filter dort das Kohlendioxid absorbieren, wo es entsteht – im Schlot der Kraftwerke. Die Sache hat allerdings noch einen kleinen Haken: „Die Algen müssen ziemlich thermotolerant sein, denn die Abgase der Kohlenkraftwerke sind zwar von Ascheteilchen und den meisten Schadstoffen befreit, aber noch immer extrem heiß, wenn sie am oberen Schornsteinende ankommen“, erklärt Cooksey. Als eine Art Headhunter macht sich Cooksey daher im Yellowstone Nationalpark, dem Reich der heißen Quellen und Geysire auf die Suche nach den benötigten „hochqualifizierten Arbeitern“.
Seine Chancen, hier den passenden Mikroorganismus zu finden, sind nicht schlecht. Denn seitdem im Park das erste hyperthermophile Bakterium, Thermus aquaticus, entdeckt wurde, haben Forscher bereits unzählige weitere Mikroorganismen aller möglichen Gattungen und Gruppierungen gefunden, die extremer Hitze widerstehen können. Nach Schätzungen der Wissenschaftler sind bisher erst weniger als ein Prozent der in Yellowstone insgesamt vorkommenden Mikroorganismen aufgespürt und untersucht worden. Es bleibt also noch viel Raum für Überraschungen….
Stand: 26.05.2001