Trotz aller medizinischen Fortschritte bleibt das Grundproblem bisher bestehen: Es gibt zu wenig Organspender und damit zu wenig Spenderorgane. Um dies zu ändern, müsste ein größerer Anteil der Bevölkerung zum Spenden motiviert werden – oder aber die Medizin muss andere Quellen für Organe finden. Und genau das versucht sie bereits.
Tier statt Mensch als Spender
Während einige Forscher menschliche Gewebestrukturen im Labor züchten, verfolgen andere eine alternative Idee: Wie wäre es, wenn wir nicht menschliche Spenderorgane nutzen, sondern die eines Tieres? Zwar galt es lange als unmöglich oder zumindest extrem riskant, Organe zwischen zwei unterschiedlichen Tierspezies zu übertragen. Denn artspezifische Proteine rufen unweigerlich starke Abstoßungsreaktionen beim Empfänger hervor. Doch in den letzten Jahren haben Forschende Methoden entwickelt, die dies umgehen. Solche Xenotransplantationen haben dadurch bereits mehrfach geklappt – erst zwischen Tieren, jüngst sogar beim Menschen.
2018 vermeldeten Matthias Längin vom Universitätsklinikum München und seine Kollegen einen ersten Erfolg: Sie transplantierten Schweineherzen in Paviane, die bis zu sechseinhalb Monate mit dem neuen Organ überlebten – so lange wie nie zuvor. „Die Überlebenszeit und Funktion der Schweineherzen bis zu 195 Tage ist ein Meilenstein und wurde weltweit bislang nicht erreicht“, kommentierte Ralf Tönjes vom Paul-Ehrlich-Institut damals.
Schweine sind die erste Wahl
Doch warum Schweineherzen? Die ersten Versuche, Organe von Menschen durch tierische zu ersetzen, wurden mit Gewebe von Schimpansen durchgeführt. Denn die Primaten sind unsere nächsten Verwandten. Trotzdem gelten heute Schweine als vielversprechendste Spender. Zum einen hat sich herausgestellt, dass ihre Organe eine besser mit den menschlichen Pendants vergleichbare Größe und Funktion aufweisen. Zum anderen ist die Zucht und Haltung der Tiere verhältnismäßig einfach.
Um die Erfolgsaussichten einer artübergreifenden Transplantation zu erhöhen, wird inzwischen auch auf gentechnische Kniffe gesetzt: Gezielte genetische Veränderungen sorgen zum Beispiel dafür, dass auf der Oberfläche der fremden Organe menschliche Proteine exprimiert werden. Umgekehrt werden einige tierische Proteine genetisch beseitigt. Beides soll später die Abstoßungsreaktionen nach der Transplantation reduzieren.
Die erste Xenotransplantation bei einem Menschen
Im Jahr 2022 war es dann soweit: Zum ersten Mal erhielt ein lebender Mensch das Organ eines Tieres. Ein Team der New York University Langone und der University of Maryland pflanzten einem 57-jährigen, todkranken Herzpatienten das gentechnisch veränderte Herz eines Schweines ein – zunächst mit Erfolg: Eine Abstoßungsreaktion blieb aus und das Schweineherz arbeiteten im Körper des menschlichen Empfängers wie erhofft. Dann allerdings kam es zu Komplikationen und zwei Monate nach der Operation war der Patienten tot.
War die Xenotransplantation gescheitert? Nicht ganz, wie spätere Analysen ergaben. Denn schuld am tödlichen Ausgang war nicht das Schweinherz oder eine Immunreaktion des Empfängers, sondern ein Virus. Das Spenderschwein war mit dem porcinen Cytomegalovirus (PCMV) infiziert. Diese Herpesviren waren zwar für den menschlichen Patienten harmlos, griffen aber das Gewebe des Schweineherzens an und zerstörten es schließlich. Das Bittere daran: Gründlichere Tests hätten das Virus gefunden.
Nach dem Herz folgt die Niere
Dennoch war dies nicht das Ende aller Tests mit tierischen Spenderorganen. Dasselbe Team hat im August 2023 ein weiteres Schweineorgan in einen Menschen transplantiert: eine Niere. Anders als beim Schweineherz war in dem Spenderschwein diesmal nur ein Gen ausgeschaltet, weitere Genmanipulationen fanden nicht statt. Dafür implantierten die Forschenden die Thymusdrüse des Schweins unter die Außenhülle der Spenderniere. Der Thymus spielt für die Reifung und „Feinderkennung“ der zellulären Immunabwehr eine große Rolle.
Zusammen reichten diese Maßnahmen aus, um die Niere im menschlichen Empfänger mehr als einen Monat ohne Abstoßung funktionsfähig zu halten. Allerdings zeigten sich Zeit subtilere Immunreaktionen, die ein solches Schweineorgan nach längerer Zeit möglicherweise schädigen könnten, wie Robert Montgomery von der New York University Langone und seine Kollegen einräumten. Sie arbeiten aber bereits daran, die Methodik noch weiter zu verbessern.
Nach Ansicht der Forschenden eröffnen Xenotransplantationen dennoch eine Chance, künftig vielen todkranken Patienten mit Organschäden das Leben zu retten. „Es gibt einfach nicht genug Spenderorgane für jeden, der eines benötigt“, sagt Montgomery, der selbst eine Herztransplantation erhalten hat. „Zu viele Menschen müssen wegen dieses Organmangels sterben und ich bin fest davon überzeugt, dass die Xenotransplantation ein gangbarer Weg ist, um dies zu ändern.“
Ethisch umstritten
Allerdings wirft die Xenotransplantation auch einige ethische Fragen auf. Denn dafür müssen Tiere speziell gezüchtet und gentechnisch verändert werden. Letztlich stellt sich damit die Frage, ob es vertretbar ist, Tiere als „Ersatzteillager“ für den Menschen zu züchten. Auch das Einschleusen menschlicher Gene in Tiere stößt bei einigen Menschen auf Ablehnung. Und was bedeutet es für das Selbstbild eines Patienten, wenn das Organ einer anderen Spezies in ihm schlägt? Noch ist all dies nicht abschließend geklärt – und die Xenotransplantation noch im absoluten Anfangsstadium. Ob sie eines Tages medizinscher Alltag werden wird, bleibt daher vorerst offen.