4. August 1985: Noch herrscht Ruhe am Dig Tsho-Gletschersee in 4.365 Metern Höhe nahe dem Mount Everest. Doch das ändert sich schon bald. Gegen drei Uhr nachmittags stürzt eine gewaltige Eislawine mit lautem Getöse den Hang hinab. Sie trifft mit gewaltiger Wucht auf das Gewässer und verursacht einen „Tsunami“ von fünf Metern Höhe, der sich blitzartig über den 1,5 Kilometer langen Dig Tsho ausbreitet – und auch über den natürlichen Damm aus Schutt- und Geröllmassen schwappt.
Das GLOF-Phänomen
Innerhalb von wenigen Stunden rauschen mehr als zehn Millionen Kubikmeter Wasser ins Tal. Die Flutwelle reißt alles mit, was sich ihr in den Weg stellt und zerstört unter anderem 14 Brücken, zahlreiche Gebäude und Felder. Allein am Wasserkraftwerk Namche richtet das von Wissenschaftlern als GLOF (Glacial Lake Outburst Floods) bezeichnete Phänomen über eine Million Euro Sachschaden an. Und auch fünf Menschen müssen die Katastrophe mit dem Leben bezahlen. Noch 90 Kilometer flussabwärts wird die Hochwasserwelle registriert.
„Die Flutwelle kam so schnell und mit solcher Kraft, dass sie fünf Häuser, viel Vieh und große Teile des Ackerlandes mit sich riss“, beschreibt Trekkingführer Norbu Sherpa aus Nepal in einem Erlebnisbericht für den WWF seine Erfahrungen beim Gletscherseeausbruch 1985. „Eines der Häuser war das meiner Familie. Die Flut spülte unseren Gemüseacker weg und ich erinnere mich noch an die Panik in den Augen unserer Kuh, als sie ertrank. Die Flut dauerte zwei Stunden, danach stand meine Familie vor dem Nichts. Unsere Nachbarn halfen uns noch, nach unseren Habseligkeiten zu suchen, doch alles, was wir fanden, waren einige Dinge aus der Küche und sonst nichts. Wir hatten kein Zuhause mehr und kein Land“, so Sherpa weiter.
Immer wieder Tote und Obdachlose…
Zerstörerische GLOFs wie dieser sind jedoch beileibe kein Einzelfall – weder im Himalaja noch in anderen Hochgebirgen der Welt. Allein in Nepal gab es seit den 1930er Jahren mehr als ein Dutzend solcher Ereignisse, bei denen immer wieder auch Todesopfer zu beklagen waren. Ähnlich ist die Situation in den Alpen. Dort starben beispielsweise in der Schweiz in den letzten 400 Jahren bei vier schweren Seeausbrüchen mindestens 187 Menschen in den Fluten.