Nur wer mit H5N1-infiziertem Geflügel oder deren Körperausscheidungen in Kontakt kommt, läuft Gefahr sich dieses Virus einzufangen und an der Vogelgrippe zu erkranken: So lautete lange Zeit der Lehrsatz der WHO und anderer Wissenschaftler. Doch eigentlich sollten sie es besser wissen. Denn schon 1997 beim ersten Virus-„Outbreak“ von H5N1 in Hongkong ist es auch zu Übertragungen des Geflügelpest-Virus von Mensch zu Mensch gekommen. Dies haben Wissenschaftler des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) in den USA herausgefunden.
Nur leichte Symptome
Im Rahmen einer Studie untersuchten sie Krankenschwestern und Pfleger auf Virus-Antikörper im Blut, die damals Vogelgrippepatienten betreut hatten. Das Ergebnis: Bei knapp vier Prozent des Krankenhauspersonals, das unmittelbar mit den Virusopfern in Kontakt gekommen war, ließen sich Antikörper gegen die Vogelgrippe nachweisen. Die Auswirkungen der Infektion waren allerdings nach Angaben der Mediziner gering: Wenn überhaupt, blieb es bei leichten Symptomen wie einer Erkältung.
Laut Carolyn Buxton Bridges, eine der Leiterinnen der Studie, ließen diese Ergebnisse zwei Rückschlüsse zu. Zum einen, so die Wissenschaftlerin, war damit nachgewiesen, dass die Vogelgrippe von Mensch zu Mensch übertragen werden kann. Eine Infektion mit dem Vogelgrippe-Virus muss zudem laut Buxton Bridges darüberhinaus nicht immer mit den dafür typischen Krankheitsanzeichen wie Fieber oder Lungenentzündungen verbunden sein. Weitere Untersuchungen an Arbeitern auf Geflügelfarmen oder mit dem Abtöten von Hühnern beschäftigten Einsatzgruppen brachten ähnliche Ergebnisse.
Sprung zum Menschenvirus geschafft?
Selbst wenn die Situation in Hongkong 1997 tatsächlich keinen großen Anlass zur Besorgnis gegeben haben mag, so hat sich die Situation um das Vogelgrippe-Virus spätestens seit Anfang des Jahres 2004 offenbar dramatisch verändert. Am 1. Februar gab die WHO bekannt, dass sich in Vietnam zwei Frauen möglicherweise bei ihrem Bruder mit der Vogelgrippe angesteckt haben. Alle drei Patienten in der Thai Binh Provinz sind mittlerweile gestorben.
Während bei den beiden Frauen mittlerweile zweifelsfrei feststeht, dass sie der Vogelgrippe zum Opfer gefallen sind, bleibt die Todesursache ihres Bruders wohl für immer im Dunklen. Denn es gibt keine Blut- oder Gewebeproben von ihm, die man auf H5N1-Befall untersuchen könnte.
Sollte in diesem Fall tatsächlich eine nachweisliche Infektion von Mensch zu Mensch stattgefunden haben, scheint das Virus seit 1997 deutlich aggressiver geworden zu sein. Zeigten Infizierte damals nur leichte Symptome, könnte H5N1 im Jahr 2004 möglicherweise den Tod der beiden 23- und 30-jährigen Frauen verursacht haben.
Später ist auch in Thailand ein Fall bekannt geworden, bei dem wahrscheinlich eine Übertragung des Virus von einem Erkrankten auf eine enge Kontaktperson stattgefunden hat. Doch noch hat sich H5N1 scheinbar nicht so gut an den Menschen angepasst, dass eine einfache und schnelle Übertragung möglich ist.
Stand: 28.10.2005