Eine weitere Variante des „Käfigtiger“-Prinzips kommt 2010 in einem weiteren Gerichtsstreit um Genpatente zum Tragen. Die Gentechnik-Firma Monsanto besitzt seit mehreren Jahren in Europa das Patent auf eine gentechnisch veränderte Sojasorte. In diese wurde ein Gen eingeschleust, das die Pflanze resistent gegen das Allround-Unkrautvernichtungsmittel „Roundup“ macht. Als Folge können Felder mit diesem Gensoja gespritzt werden, ohne dass die Nutzpflanze darunter leidet. So weit, so eindeutig.
Umweg über Argentinien
Nun allerdings kommt die argentinische Firma Cetera ins Spiel. Sie nutzt die Tatsache, dass das EU-Patent in Argentinien keine Gültigkeit hat und produziert dort ihrerseits Roundup-Gensoja nach dem gleichen Prinzip. Auch das ist noch absolut legal und wird auch von Monsanto nicht weiter beanstandet. Jetzt aber kommt der Knackpunkt: Cetera erzeugt aus ihren Genpflanzen Sojamehl, das sie nach Europa exportiert – und damit ins Gültigkeitsgebiet des Monsanto-Patents.
Monsanto reagierte prompt und verklagte Cetera – zunächst vor einem niederländischen Gericht. Die Importe in die Niederlande, so ihre Argumentation, verstoßen gegen das niederländische Patentrecht, das ausdrücklich den Import patentierter Waren verbietet. Cetera wehrt sich und zieht vor den Europäischen Gerichtshof. Sie fordern einen freien Zugang für ihr Sojamehl auf den EU-Markt mit der Begründung, das niederländische Recht gehe über die in der EU geltende Biotechnologie- Direktive hinaus und sei daher ungültig. Die Direktive besagt, dass sich „…der Patentschutz auf ein Gentech-Produkt auch auf alle Materialien erstreckt, die dieses Produkt enthalten und in denen die genetische Information vorliegt und ihre Funktion ausführt.“
Wann „lebt“ ein Gen?
Doch genau hier setzt Cetera an: Wie sie ausführen, dürfe das Sojamehl nicht unter diesen Paragraphen fallen. Denn, so erklären sie, im Sojamehl habe die genetische Information – das eingeschleuste und patentgeschützte Gen – keinerlei Funktion mehr. Es sei quasi tot. Von Monsanto patentiert und damit geschützt sei aber nur die lebendige Form des Gens. So absurd diese Spitzfindigkeiten uns scheinen mögen, für die Gentech-Industrie hängen Millionensummen an solchen Entscheidungen.
Und in diesem Falle hat Monsanto Pech: Der europäische Gerichtshof lässt sich von dem Argument der „toten“ Gene überzeugen. „Wenn die genetische Information aufgehört hat, die Funktion auszuüben, die sie im Ausgangsmaterial hatte, dann gilt der Patentschutz nicht“, so die Urteilsbegründung. Mit anderen Worten: Der Tiger im Käfig ist nur lebendig ein Tiger, tot ist er etwas völlig anderes. Dass das Gen im Sojamehl noch immer den intakten Bauplan für das entsprechende Protein enthält und damit weder seine Struktur noch seinen genetischen Informationsgehalt geändert hat, sehen die Richter dagegen nicht als relevant an.
Nadja Podbregar
Stand: 23.03.2012