Noch im Jahr 1999 ergab eine Bestandsaufnahme der CDC, dass weltweit insgesamt nur 60 Millionen Dosen Pockenimpfstoff existierten. Eine laufende Produktion der Vakzine fand so gut wie gar nicht statt – warum auch, gab es doch keine Nachfrage: Das Virus gilt seit 1977 weltweit als ausgerottet. Reihenimpfungen wurden Ende der 1970er Jahre in den meisten Ländern eingestellt.
Doch mit dem Jahr 2001 änderte sich diese Situation abrupt: Plötzlich rückte die Möglichkeit eines Terroranschlags mit biologischen Waffen durchaus in den Bereich des Möglichen. Und selbst eine Attacke mit Pockenviren scheint seither nicht mehr völlig ausgeschlossen. Offiziell verfügen heute zwar nur noch die CDC im amerikanischen Atlanta und das Institut für Virusforschung in Moskau über die letzten Bestände des tödlichen Erregers.
Aber zumindest von Russland ist bekannt, dass im Rahmen des Biowaffenprogramms noch vor wenigen Jahren große Mengen von Pockenviren produziert worden sind. Da sich in den letzten Jahren die finanzielle Situation der Labors und der dort arbeitenden Wissenschaftler dramatisch verschlechtert hat, wächst die Gefahr eines heimlichen „Ausverkaufs“ von Forschern und Material zu zahlungskräftigen ausländischen Auftraggebern. Entsprechend mehren sich die Befürchtungen, mit den Wissenschaftlern und der Expertise könnten auch Viren in die Hände anderer Staaten oder Organisationen gelangt sein.
Zwar schätzen Experten die Wahrscheinlichkeit eines Pockenviren-Anschlags in den USA oder Europa als eher sehr gering ein, doch angesichts der extremen Gefährlichkeit des Virus und der hohen Ausbreitungsgeschwindigkeit der Krankheit will es sich kein Land erlauben, dieser Gefahr unvorbereitet gegenüber zu stehen. Immerhin sind heute fast alle unter 25 – 30-Jährigen ohne Impfschutz und wären daher einer Epidemie schutzlos ausgeliefert. Und ob und in welchem Maße die vor 20 oder 30 Jahren erfolgten Pockenimpfungen überhaupt noch Schutz bieten, ist nicht bekannt.