Warum blieben gerade in der Region Tavoliere in Apulien so viele Siedlungsspuren im Untergrund erghalten? Dem Archäologen John Bradford ist die Antwort schnell klar: Die Ebene des Tavoliere gehört zu einer der trockensten Gegenden Italiens. Weite Flächen wurden Jahrhunderte lang lediglich als Weideland genutzt, manche gar seit der Zeit der Römer bis weit über das Mittelalter hinaus nicht ein einziges Mal umgegraben. Erst im 19. Jahrhundert wurden große Felder angelegt und bewirtschaftet.
Diese beiden Faktoren sind die wichtigsten Voraussetzungen für die Luftbildarchäologie. Durch die lange extensive Bewirtschaftung als Weideland wurden die Spuren früherer Wege, Felder oder Hausfundamente, die längst mit Vegetation zugewachsen waren, nicht zerstört sondern im Boden konserviert. Die Schutzgräben der neolithischen Siedlungen oder die ausgetretenen Straßen der Römer füllten sich mit Erde und wurden nach und nach eingeebnet. Im Untergrund blieb die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit erhalten, in den Gräben und Wegen sammelten sich Wasserrinnsale und nährstoffreicher Mutterboden.
Getreidewachstum verrät Ruinen
Im 19. Jahrhundert konnten die Bauern durch die zunehmende Technisierung ihre Getreidefelder vergrößern, auch in die Gebiete, wo ihre Vorfahren nur das Vieh auf die Weide getrieben hatten. Und diese ausgedehnten Felder, die vor allem im Mai, Juni und Juli einen Wachstumsschub bekommen, brachten schließlich die Spuren zutage, die der Archäologe und Luftwaffenpilot Bradford entschlüsselte: Weil Getreide sehr sensibel auf kleinste Unterschiede im Nährstoffangebot des Bodens reagiert, sprossen die Halme genau dort besonders gut in die Höhe, wo sich im Untergund die neolithischen oder römischen Rinnen verbargen. Diese Unterschiede fallen zwar nicht auf, wenn man mitten im Feld steht, vom Flugzeug aus aber sind sie deutlich sichtbar.
Einblick in das vorzeitliche Dorfleben
Von den durch diese Spuren aufgedeckten steinzeitlichen Siedlungen ist Bradford geradezu begeistert. Sie wurden offensichtlich planmäßig angelegt, die Rundhäuser waren vermutlich je nach Status des Besitzers unterschiedlich groß und mit größeren oder kleineren Schutzgräben umgeben, es gab Plätze für das Vieh und Felder. Auch das Wachstum der Siedlungen lässt sich rekonstruieren.
„Wenn wir über diese trockene, staubige, in Sommerfarben daliegende Ebene fliegen,“ so Bradford, „und die Anfänge gemeinschaftlichen Lebens vor über 4.000 Jahren vor uns sehen, fühlt man eine geradezu schmerzvolle Bewunderung für diese methodisch vorgehenden, handfesten und erfinderischen Siedler, deren Arbeit den Weg ebnete für die Entwicklung von Städten und ganzen Nationen.“
Stand: 29.02.2008