Evolution

Turbulente Paarung

Tanzende Dinos und schwangere Fischsaurier

Bevor ein Tier sich um seinen Nachwuchs kümmern kann, muss es diesen zuerst einmal produzieren. Zur Paarung gehört aber weitaus mehr als der Akt an sich. In den meisten Fällen muss das Männchen zunächst das Weibchen von seiner Eignung als Genspender überzeugen, etwa in Form von Rangkämpfen oder Balztänzen. Gibt das Weibchen sein Okay, trägt es den bei der Paarung gezeugten Nachwuchs aus und bringt ihn zur Welt.

Man könnte meinen, dass jede Art von Verhalten rund um die Paarung sich nur schwer als Fossil verewigen lässt – etwa, weil Weichteile selten versteinern oder Akt und Balz nur kurze Zeit andauern – doch einige seltene Beispiele haben tatsächlich einzelne Aspekte von Paarungsverhalten auf Stein festgehalten.

Tanzfläche
Die Tanzfläche der Theropoden von oben betrachtet. Die bunte Abbildung in der Mitte zeigt einige Kratzspuren im Tiefenprofil. (Zum Vergrößern anklicken) © Lockley et al./ Scientific Reports / CC-by 4.0

Tanz der Tyrannen

Ein Weibchen zu beeindrucken, funktioniert bei jeder Tierart anders. Während Hirsche mit ihren Geweihen gegeneinander krachen, gibt es verschiedene Vogelarten, die für ihre Angebetete Tanz und Gesang aufführen. Typischerweise treten dabei mehrere Vogelmännchen in einer Arena unter den wachsamen Blicken der Weibchen gegeneinander an. Unter anderem scharren die Duellanten dabei mit den Krallen über den Boden, um den Weibchen zu zeigen, dass sie in der Lage sind, ein sicheres Nest zu bauen.

Da Vögel die letzten Überlebenden der Theropoden sind – zweibeiniger, fleischfressender Dinosaurier – ist es denkbar, dass auch diese einst tanzend ihre Partnerinnen umgarnten. Und tatsächlich: Im US-Bundesstaat Colorado gehen Wissenschaftler davon aus, die Überreste eines XXL-Balztanzes entdeckt zu haben. Sie bestehen aus großen fossilen Kratzspuren mit einem Durchmesser von bis zu zwei Metern.

Die Kratzer sind rund 100 Millionen Jahre alt und laut dem Team von Martin Lockley von der University of Colorado Denver beim Balztanz von zweieinhalb bis fünf Meter langen Theropoden entstanden. „Diese Kratzer können als die fehlenden physischen Beweise interpretiert werden, die darauf hinweisen, dass Theropoden stereotype vogelartige Balzverhaltensweisen ausübten, die bisher nur Gegenstand von Spekulationen unter Paläobiologen waren“, so das Team.

Weichschildkröten bei der Kopulation
Zwei Weichschildkröten bei der Kopulation – festgehalten für die Ewigkeit. © Senckenberg Naturmuseum Frankfurt

Tod beim Sex

Wenn Paläontologen erforschen, wie genau die Fortpflanzung einer ausgestorbenen Art ausgesehen haben könnte, orientieren sie sich meistens an der Anatomie der Tiere sowie an modernen Entsprechungen. So hat sich ein Urzeit-Wal wahrscheinlich ähnlich fortgepflanzt wie ein heutiger. Zwei Fossilien in flagranti miteinander zu erwischen und Live-Einblicke in ihre Paarung zu erhalten, scheint hingegen unmöglich.

Und doch ist genau das passiert. In der Grube Messel bei Darmstadt sind Forschende auf neun Paare urzeitlicher Weichschildkröten gestoßen, die einst allesamt während der Kopulation gestorben sind. Ihre Paarungsstellung zeigt sich unter anderem daran, dass die Hinterenden ihrer Schilde aneinandergedrückt sind, während die Männchen ihren Schwanz unter die Schale des Weibchens, neben den der Partnerin gebogen haben.

Doch warum sind die Schildkröten in dieser Position gestorben? Die Wissenschaftler vermuten, dass sie während der Paarung in tiefere, giftige Wasserschichten des ehemaligen Vulkansees von Messel abgesunken und dort gestorben sind. Durch dieses Unglück dauert die Intimität der Schildkröten nun bereits seit 47 Millionen Jahren an.

Gebärender Ichthyosaurier
Ichthyosaurier wie dieser Stenopterygius waren lebendgebärend und trugen mitunter Mehrlinge aus. © 2014 Motani et al. / CC-by 4.0

Schwangere Fischsaurier

Ein anderes Schicksal ereilte verschiedene Fischsaurier-Mütter. Sie starben nicht während der Kopulation, sondern in der Schwangerschaft. Allein im Gebiet rund um die baden-württembergische Stadt Holzmaden finden sich mehr als einhundert Fossilien schwangerer Ichthyosaurier der Art Stenopterygius. Acht Exemplare waren sogar in den Wehen, als sie starben. Lange Zeit war nicht klar, ob die delfinähnlichen Ichthyosaurier Eier legten oder lebend gebaren, doch diese überwältigende Beweislage hat längst jeden Zweifel ausgeräumt.

Der älteste Nachweis für Lebendgeburten bei Ichthyosauriern ist rund 248 Millionen Jahre alt und stammt aus China. Des Weiteren suchten einige Fischsaurier wahrscheinlich sogar spezielle Gewässer für die Geburt ihrer Jungen auf, wie ein 230 Millionen Jahre alter „Kreißsaal“ im US-Bundesstaat Nevada nahelegt. Während Ichthyosaurier häufig mehrere Junge in sich trugen, konzentrierten die langhalsigen, vierflossigen Plesiosaurier ihre Energie wahrscheinlich auf ein einziges Junges.

Von der Paarung über die Schwangerschaft, Geburt und Brutpflege bis hin zu tödlichen Kämpfen und Fressgewohnheiten: All dies ist in besonderen Fossilien verewigt und erzählt die Geschichte des Lebens ferner Urwelten. Die bizarren Wesen, die vor uns diesen Planeten bevölkerten, erscheinen uns so direkt ein klein wenig nahbarer.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Fossilien als Geschichtenerzähler
Was Urzeit-Relikte über das Verhalten ausgestorbener Tiere verraten

Verhaltensbeobachtung in der Urzeit
Wenn Tiere von ihrem eigenen Tod erzählen

Dramatische Kämpfe
Bisse, Hiebe und Tragödien

Wandern und Wohnen
Polonaise-Tänzer und teuflische Korkenzieher

Elterliche Fürsorge
Babysitter und ein Kinderzimmer für Haie

Turbulente Paarung
Tanzende Dinos und schwangere Fischsaurier

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