Seit einigen Jahren sind Hubert Klahr und seine Kollegen vom Max-Planck-Institut für Astronomie der Rolle der Turbulenz als Lösung des Pebble-Wachstums-Problems auf der Spur. Turbulenz bezeichnet Bewegungen innerhalb eines Fluids – hier des Gases – während derer sich Fließgeschwindigkeit und Druck chaotisch ändern. Beobachtungen zeigen, dass die Gasströmung in protoplanetaren Scheiben in der Tat turbulent ist, mit chaotischen lokalen Variationen der Gasgeschwindigkeit.
Eine Falle für die „Pebbles“
Ohne Turbulenz würden Staub und Kieselsteine eine Scheibe bilden, die so hauchdünn ist wie die Ringe des Saturns. Beobachtungen zeigen jedoch, dass der Staub stattdessen überall in der dicken Gasscheibe anzutreffen ist, die junge Sterne umgibt. Auf größeren Skalen kann die turbulente Gasbewegung in protoplanetaren Scheiben Regionen mit stark erhöhten Pebble- und Staubkonzentrationen erzeugen.
Solche Regionen können vorübergehend zu regelrechten Fallen werden, in denen Pebbles aus den umliegenden Regionen gefangen werden. In solchen Regionen können sich Brocken mit einer so großen Gesamtmasse ansammeln, dass sie durch ihre gegenseitige Schwerkraft aneinandergebunden werden. Auf diese Weise können binnen kurzer Zeit größere Objekte entstehen.
Erste Hinweise darauf, dass Turbulenz eine Schlüsselrolle bei der Planetenentstehung spielt, lieferten numerische Simulationen und deren Vergleich mit detaillierten Beobachtungen der protoplanetaren Scheiben um junge Sterne. Simulationen des damaligen MPIA-Doktoranden Anders Johansen zeigten im Jahr 2007, dass die Turbulenz die Pebbles lokal konzentriert und so relativ schnell zur Bildung von Planetesimalen führt. Aber Simulationen sind eine Sache.
Auf die Masse kommt es an
Klahr und Schreiber wollten noch genauer verstehen, was da vor sich ging – sie wollten wissen, wie sich das, was die Simulationen gezeigt hatten, aus den zugrundeliegenden physikalischen Gesetzen ergibt. Die Physik hinter der turbulenten Bildung von Planetenembryonen erwies sich dabei als überraschend einfach. Sie hat grundlegende Ähnlichkeiten mit der Entstehung von Sternen.
Astronomen wissen schon lange, dass es eine Mindestmasse für einen neugeborenen Stern gibt. Das liegt daran, dass die Gaswolken, aus denen junge Sterne entstehen, einen inneren Druck aufweisen. Erst ab einer bestimmten Gesamtmasse kann die Schwerkraft diesen Druck überwinden und das Gas zu einem Stern zusammenziehen. Die betreffende Minimalmasse wird als Jeans-Masse bezeichnet und hängt von der Gasdichte und der Temperatur ab.
Klare Zusammenhänge
Tatsächlich fanden Klahr und Schneider eine neue Art von Jeans-Masse, diesmal für die Bildung von Planetesimalen. Dort ist der zu überwindende Druck nicht von der Gastemperatur abhängig, sondern von der turbulenten Bewegung von Gas und Staub. Diese neue Jeans-Masse hängt nur von der lokalen Stärke der Turbulenz ab, und die Turbulenz-Stärke hängt ihrerseits davon ab, wie sich die Struktur der Gasscheibe ändert, wenn man sich weiter vom Zentralstern entfernt:
Fällt der Gasdruck mit der Entfernung hinreichend schnell ab, dann führt die so genannte „Strömungsinstabilität“ unweigerlich zu turbulenten Bewegungen des Gases und des Staubs. Anstatt ruhig in Richtung der Regionen mit größerem Druck zu sinken, also in Richtung des Sterns, bewegen sich die Pebbles chaotisch und wirbeln das umgebende Gas auf.
Eine Größenskala für Planetesimale
Für die meisten Regionen innerhalb unseres Sonnensystems entspricht die Jeans-Masse für eine Pebble-Wolke, die sich aus dem „Turbulenz-Gegendruck“ ergibt, einem Planetesimalen mit einer Größe von etwa 100 Kilometern. Für Pebble-Wolken mit geringerer Masse ist dagegen deutlich weniger wahrscheinlich, dass sie kollabieren – dort wäre schon eine seltene, zufällige Fluktuation nötig, um die Pebbles alle auf einmal hinreichend dicht zusammenzubringen.
Dass sich deutlich größere Pebble-Wolken bilden, ist ebenfalls weniger wahrscheinlich, weil solche Wolken bereits anfangen zu kollabieren, sobald sie die kritische Masse überschreiten. Dass sich Planetesimale mit deutlich mehr oder deutlich weniger als 100 Kilometern Durchmesser bilden, ist damit durchaus unwahrscheinlich.
Damit hatten Klahr und Schneider nicht nur die Physik der Planetesimalen-Entstehung besser verstanden, sondern gleichzeitig eine mögliche Erklärung dafür gefunden, warum es in unserem Sonnensystem eine einheitliche Längenskala für die ursprünglichen Asteroiden-Größen gibt: die Jeans-Grenzmasse für die Entstehung von Planetesimalen.