Auch wenn wir Menschen uns gerne als Krone der Schöpfung sehen: Im Vergleich zu Bakterien ist unser Stoffwechsel sehr eingeschränkt. So ist er ist unbedingt auf Sauerstoff angewiesen. Das ist für uns alternativlos – hier stimmt das übernutzte Wort mal wirklich. Denn nach nur wenigen Minuten ohne Sauerstoff ist jeder Mensch tot – selbst, wenn er gut trainiert ist: Der Weltrekord für Apnoetaucher liegt bei vier Minuten 24 Sekunden.
Bakterien haben dagegen sehr viele unterschiedliche Stoffwechselwege entwickelt, um in Abwesenheit von Sauerstoff – anaerob – Energie zu gewinnen, zu wachsen und sich zu vermehren. Sie hatten auch sehr lange Zeit dazu, denn in den ersten ein bis zwei Milliarden Jahren des Lebens auf der Erde gab es kaum Sauerstoff in der Erdatmosphäre. Dann haben Cyanobakterien die sogenannte oxygene Photosynthese erfunden, bei der Wasser gespalten wird und Sauerstoff entsteht.
Anaerob leben? Für Mikroben kein Problem
Diese Erfindung war so erfolgreich, dass sie die Atmosphäre der Erde für immer verändert hat und das Leben von Arten ermöglicht, die auf Sauerstoff angewiesen sind, wie wir Menschen. Aber auch heute noch gibt es viele anaerobe Bereiche – in der Erde, in Seen und im Meer. Ein Leben in diesen vom Menschen in egozentrischer Sicht oft als „lebensfeindlich“ bezeichneten Umwelten stellt für Bakterien kein Problem dar. Denn es gibt sehr viele unterschiedliche Arten der Energiegewinnung, die ohne Sauerstoff auskommen.
Der aerobe Stoffwechsel beruht auf der Reduktion von Sauerstoff zu Wasser bei gleichzeitiger Oxidation organischer Substanzen. Anders ausgedrückt: Steaks oder Smoothies werden letztlich zu Kohlenstoffdioxid. Reduktion und Oxidation sind dabei gekoppelt und beinhalten die Übertragung von Elektronen.
Methan und Metalle statt Sauerstoff
Doch solche Redoxreaktionen können auch in Abwesenheit von Sauerstoff zwischen einer Vielzahl von Verbindungen stattfinden. Und dies machen sich Bakterien zur Energiegewinnung zunutze. Sehr viele Arten können mit unterschiedlichen, nicht an Sauerstoff gebundenen Atmungen wachsen. So gibt es „Rostfresser“-Bakterien im Sediment von Flüssen und Seen, die Eisenoxid und Methan zur Elektronenübertragung nutzen. Im Boden und sogar in unserem Darm leben Bakterien, die bei der anaeroben Energiegewinnung sogar Strom produzieren. Und an den heißen Quellen der Tiefsee tummeln sich zahllose „Methanfresser„.
Weitere Wege der anaeroben Energiegewinnung sind Fermentationen. Auch bei diesen Wegen ist die Diversität sehr hoch. Einige dieser Mikroorganismennutzen wir ganz praktisch, beispielsweise bei der Herstellung von Bier und Sauerkraut oder der Gärung von Wein.
Für die Bakterien bedeutet diese Vielfalt der Stoffwechselwege, dass sie überall auf der Erde irgendwie leben können. Und sogar darüber hinaus: Das Überleben von Bakterien im All ist bei Raumfahrtmissionen experimentell bewiesen worden. Und die Astrobiologie beschäftigt sich mit der Möglichkeit, dass Leben auch auf anderen Planeten als der Erde existiert. Diese Vielfalt der Möglichkeiten, Energie zu gewinnen, beinhaltet ein Überlebensprogramm von Bakterien unter vielen Bedingungen, auch wenn diese sich ständig und schnell ändern.
Jörg Soppa, Universität Frankfurt/ Forschung Frankfurt