„Ich glaube, das geht völlig schief“, sagt der Theologe Roman Siebenrock, der gerade von einer dreiwöchigen USA-Reise zurückgekehrt ist. „Die Menschen dort glauben, dass ihnen das Leben abgenommen wird.“ In dieser Haltung, gepaart mit einer nach rückwärts projizierten Illusion eines heilen Amerikas, begründet für ihn den Populismus.
Zwischen Meinung und Wahrheit
Dem tritt Siebenrock mit entschiedener Skepsis entgegen: „Trau keinem, der dir den Himmel auf Erden verspricht, es wird die Hölle sein!“ Und wenn Donald Trump sagt, er wurde von Barack Obama abgehört und der inzwischen entlassene FBI-Chef erklärt, dass es keine Evidenz dafür gibt, dann muss Trump gute Begründungen liefern, die außerhalb seines eigenen Behauptungssystems liegen. „Sonst lügt er oder setzt unhaltbare Behauptungen in die Welt“, sagt der Wissenschaftler.
Doch derzeit scheinen sich die Menschen schwerzutun, zwischen Meinung und Wahrheit zu unterscheiden, weil in einer hochkomplexen und vernetzten Weltgesellschaft einerseits scheinbar alles als möglich erscheint und gleichzeitig alles unter Verdacht gestellt werden kann. Wissen bedarf einer Überzeugung, verlangt aber auch nach Rechtfertigungsgründen und gemeinsamen Prüfungskriterien. Deshalb begründet Wissenschaft ihre Aussagen methodisch nachvollziehbar und von jedem prüfbar.
Überprüfbar muss es sein
Für Roman Siebenrock gehört immer auch eine Form von Empirie und Erfahrung dazu. In den Naturwissenschaften ist dies die Messbarkeit. Auch die Sozial- und Humanwissenschaften können mit Empirie arbeiten, aber nicht alles lässt sich messen. „Ich kann verschiedene Dinge messen und daraus schließen, dieser Mensch hat Zahnweh. Aber Zahnweh kann ich nicht messen. Insofern gibt es Bereiche der Wirklichkeit, die sich der Messbarkeit entziehen“, sagt Siebenrock.
Auch die Theologie, als die wissenschaftliche Beschäftigung mit konkret gelebter Religion, hat oft keine harten empirischen Kriterien. Sie muss für ihre Überzeugungen Gründe anführen, die von anderen geprüft und prinzipiell widerlegt werden können. Deshalb lernen die Studierenden auch religionskritische Argumente kennen und prüfen. „Das kann dazu führen, dass Menschen existentiell in die Krise geraten. Es gehört zum Projekt der Theologie, dass Menschen im Prozess der Reflexion zweifeln oder auch den Glauben verlieren.“ Diese Form von Überprüfbarkeit und kritischer Reflexion muss auch existentiell sein und kann so den Menschen, aber auch die Gesellschaft verändern.
Einstein und die Würfel Gottes
Dass dies für die Wissenschaft allgemein gilt, zeigt Siebenrock am Beispiel Albert Einstein. Dieser war fest davon überzeugt, dass „der Alte nicht würfelt“ und wollte die von der Quantentheorie proklamierte Unschärfe nicht als endgültige Erkenntnis akzeptieren. So hat er sein ganzes Leben lang versucht, eine andere Theorie zu finden. „Und da merkt man, dass auch in der Naturwissenschaft lebensweltliche Vorbedingungen teilweise eine erhebliche Rolle spielen“, betont Siebenrock. „Auch die Naturwissenschaft hat eine bestimmte Perspektive auf die Welt.“
Diese Perspektive bedeutet aber nicht, dass man einfach alles Mögliche behaupten kann. „Das Wörtchen Wahrheit funktioniert nicht nach dem Motto: Ich behaupte, also trifft es zu. Sondern: Ich habe eine Überzeugung, ich muss dafür Gründe liefern, die ihnen einsichtig sind und danach können wir von einer gemeinsamen Wahrheit sprechen.“ Diese Gründe müssen immer so sein, dass sie außerhalb des Überzeugungssystems von demjenigen liegen, der etwas behauptet. Und dafür sind Übersetzungsleistungen notwendig, die Überzeugungen in eine Sprache und in einen Erfahrungszusammenhang bringen, die für alle Menschen nachvollziehbar und verständlich sind.
Universität Innsbruck
Stand: 26.10.2018