Das internationale Forscherteam stützt sich auf die Untersuchungen der im März 2011 verstorbenen Geologin Ija M. Batanina. Sie hatte nach der Auflösung der Sowjetunion unverhoffte Einsicht in militärische Luftbildaufnahmen der relevanten Region erhalten – und darin entscheidende Hinweise auf die Steppenstädte gefunden. Auch wenn vereinzelt Strukturen dieses Siedlungstyps bereits seit den 1970er Jahren untersucht werden konnten, waren die tatsächliche Anzahl der Niederlassungen und damit auch die immense Bedeutung des gesamten Phänomens bis zu diesem Zeitpunkt nicht einmal ansatzweise bekannt.
Batanina ist es daher zu verdanken, dass Archäologen heute mindestens 22 befestigte Siedlungen in dem rund 350 mal 250 Kilometer großen Areal zwischen den Flüssen Tobol und Ural kennen. Diese liegen meist in einer Entfernung von 25 bis 30 Kilometern zueinander und orientieren sich bis entlang der Uferterrassen von Flussläufen.
„Ausnahme-Siedlungen“ als Forschungsobjekt
Es gibt jedoch auch bemerkenswerte Ausnahmen von dieser Regel: So liegen entlang des kleinen Flüsschens Karagajly- Ajat insgesamt drei Siedlungen – Kamennyj Ambar/Ol’gino, Žurumbaj und Konopljanka – im Abstand von weniger als zehn Kilometern zueinander. Gerade hier, so waren sich die Projektleiter von Anfang an sicher, versprechen daher intensive Forschungen einen einzigartigen Einblick in den Umgang des Menschen dieser Zeit mit dem ihm zur Verfügung stehenden Raum. Deshalb haben sie sich diese Siedlungen genauer angeschaut
Vor allem die bislang ungeklärte Frage, ob diese Siedlungen wirklich gleichzeitig existierten, steht bei dem Projekt im Vordergrund. Bildeten sie möglicherweise sogar eine größere, mitunter wirtschaftspolitische Einheit? Die traditionelle Wirtschaftsweise war damals die Herdenwirtschaft und eine nomadische Lebensweise – wie veränderte sich diese mit der Gründung der befestigten Siedlungen? Handelte es sich vielleicht um zentrale Siedlungen, in deren weitem Umfeld Teile der Bewohner mit den Herden in einer halbnomadischen Lebensweise lebten? Und inwieweit spielten Ackerbau und der Getreideanbau schon eine Rolle? Spannende Fragen, von deren Antworten sich die Forscher einen immens hohen Erkenntnisgewinn erwarten.
Rüdiger Krause, Jochen Fornasier /Forschung Frankfurt
Stand: 18.05.2012