Auf den ersten Blick ist Tell Brak bloß ein unscheinbarer, von Wüste umgebener Hügel irgendwo im Norden Syriens. Dass sich unter der 40 Meter hohen Erhebung mehr verbirgt, als nur Sand und Felsbrocken, entdeckte der britische Archäologe Max Mallowan mehr oder weniger durch Zufall bei einer Kartierung der Region im Winter 1934. Er stieß auf Artefakte, die ihn dazu brachten, ein paar Jahre später wiederzukommen – mit seiner Frau, der Schriftstellerin Agatha Christie.
Der Tempel der tausend Augen
Gemeinsam mit ihren Helfern begannen die Beiden Ausgrabungen im 800 Meter langen und 600 Meter breiten Hügel. Dabei förderten die Archäologen die Fundamente eines Tempels zutage, zwischen denen hunderte kleiner Augen-Idole lagen. Mallowan taufte das Gebäude daher den „Tempel der tausend Augen“. Wie sich zeigte, stammte er aus der Zeit um 2.800 vor Christus und war damit etwa genauso alt wie einige Gebäude in der weiter südlich liegenden Stadt Uruk.
Später entdeckte man am Gipfel des Hügels einen Palast und einige Häuser – das alles machte Tell Brak aber noch nicht zu etwas Besonderem. Es war nicht einmal klar, ob es sich wirklich um eine echte Stadt handelte oder vielleicht doch nur um eine Großsiedlung wie Jericho.
Älter als gedacht
Das änderte sich erst, als ein Team um Jason Ur von der Harvard University und Augusta McMahon von der britischen Cambridge University vor einigen Jahren im Süden von Tell Brak zu graben begannen. Dieses Gebiet war nach der Sumererzeit unbesiedelt geblieben, so dass die Schichten aus dem 3. Jahrtausend vor Christus nahe an der Oberfläche lagen.
Zu ihrer Überraschung stießen die Archäologen in einer Ecke des Grabungsfeldes auf die Überreste eines deutlich älteren Monumentalbaus. Er musste schon um 4500 vor Christus errichtet worden sein – und damit einige hundert Jahre vor der städtischen Blüte von Uruk. Das Gebäude bestand aus einem massiven Tor mit Türmen auf jeder Seite, eingelassen in eine fast zwei Meter dicke Lehmziegel-Mauer.
Eindeutig kein Tempel
An der Außenseite dieses Tores lagen zwei kleinere Räume, die die Archäologen als eine Art Wachhäuschen interpretieren. Davor schloss sich ein Hof an, der von weiteren kleinen, leeren Räumen einrahmt wurde. „Es könnte sich um Vorratsräume handeln, oder auch um eine Art Schreibstuben“, mutmaßen Ur und seine Kollegen.
Zumindest eines scheint aber klar: Ein Tempel ist der Monumentalbau höchstwahrscheinlich nicht, der Grundriss und die Funde sprechen dagegen. Das aber ist eine kleine Sensation. Denn das Gebäude ist damit das älteste Beispiel für ein säkulares Monumentalgebäude in Mesopotamien – weit älter als vergleichbare Bauwerke in Uruk.
Nadja Podbregar
Stand: 03.07.2015