Nahezu täglich liest oder hört man von neuen Self-Tracking-Gadgets. Die Apps, Armbänder oder sonstigen digitalen Minigeräte sollen angeblich besser denn je in der Lage sein, automatisch und unauffällig eine Vielzahl persönlicher Körper- und Verhaltensdaten zu erheben, auszuwerten und ins Internet zu stellen. Die Nutzer dieser Techniken können sich anhand der selbst erhobenen Körperdaten beobachten, mit anderen vergleichen und das eigene Verhalten bei Bedarf korrigieren.
Narzisstische Selbstoptimierung?
Doch diese Entwicklung ist nicht unumstritten. Kulturkritische Stimmen kommentieren, dass Self-Tracking einer Verobjektivierung des eigenen Körpers gleichkomme und die User ein instrumentelles oder narzisstisches Selbst-Verhältnis entwickelten. Self-Tracking dient ihrer Ansicht nach vor allem der Leistungssteigerung und Selbstoptimierung. Die Anwender würden sich damit blind in neoliberale Anforderungen der Leistungsgesellschaft einfügen, heißt es.
Unterstellt wird auch, dass manche in diesem technikgestützten Streben nach Selbstoptimierung eine Art Erlösungsreligion sehen. Im Extremfall könne das sogar zu pathologischen Verhaltensweisen führen, wie beispielsweise eine „männliche Magersucht“. Vor allem Männer sind demnach anfällig für übertriebenen Sport bis zur vermeintlich optimalen Figur.
Sportler als Vorreiter
Ein ausgezeichnetes Handlungsfeld für die Self-Tracking-Ideologie scheint dabei der Sport zu sein, ist doch die Vermessung körperlicher Daten ebenso sehr ein zentrales Merkmal des modernen Sports wie die Verbesserung und Optimierung sportlicher Leistungsfähigkeit. Selbstoptimierung durch Selbstvermessung im Sport ist „normal“.
Eine durch Self-Tracking-Gadgets unterstützte sportliche Lebensführung drückt dies aus: Die Nutzenden empfinden diese Formalisierung als etwas Normales und bewerten die technische Rationalität positiv. Dies entspricht zugleich der herrschenden Sportideologie.
Ist der Sport damit ein Gesellschaftsbereich, der das Self-Tracking auf die Spitze treibt? Forciert er die allgemeine Tendenz, das moderne Leben in einen einzigen, breiten Datenstrom zu verwandeln? Die empirischen Studien der Forscher von der Universität Frankfurt zeigen, dass hier Zweifel angebracht sind. Sie meinen: Es scheint es ratsam, das gesellschaftliche Phänomen Self-Tracking differenzierter zu betrachten, als es die Kulturkritik tut.
Stefanie Duttweiler und Robert Gugutzer / Forschung Frankfurt
Stand: 14.08.2015