So etabliert König David in der Überlieferung gleich dreier Weltreligionen ist, so rätselhaft bleibt er für die Wissenschaft. Der Streit um die Existenz dieser Gestalt und ihres Reiches spaltet die Archäologie. Es geht unter anderem um die Frage, ob man Texte aus der Bibel als historische Dokumente verstehen darf und auch, wie die wenigen konkreten Funde zu interpretieren sind.
Archäologie als Propaganda-Instrument
Erschwerend kommt hinzu, dass die gesamte biblische Archäologie nicht frei von Politik und Propaganda ist: Für den Staat Israel sind die biblischen Stätten – und erst recht König David als Gründervater des ersten Reichs Israel – eine wichtige Legitimation ihres Anspruchs auf Palästina. Entsprechend stark unterstützt die Regierung des Landes alle Bestrebungen, archäologische Funde in diese Richtung hin zu interpretieren.
„Sie versuchen alles, was sie finden, in die biblische Geschichte einzupassen“, kritisiert der palästinensische Archäologe Hani Nure el-Din. „Sie haben einen Knopf und versuchen, einen ganzen Anzug drumherum zu schneidern“. Ähnlich sieht es auch sein israelischer Kollege Yonatan Mizrachi. Er kritisiert, dass vor allem in der „City of David“ einseitig Funde aus jüdischer Zeit in den Vordergrund gestellt werden, während die hellenistischen, römischen, byzantinischen und islamischen Besiedlungsperioden nur wenig Beachtung finden.
Umbruch in Juda
Einigkeit aber scheint zumindest in einem Punkt zu herrschen: Belastbare historische Belege für die Existenz Davids oder gar Informationen darüber, wer er genau war, gibt es nicht. Jenseits der Bibel herrscht über ihn nach wie vor großes Schweigen. Auch wenn die Stele von Tel Dan erste Verweise auf ein „Haus Davids“ lieferte, ist die genaue Auslegung dieser Phrase noch immer umstritten.
Noch weniger eindeutig ist die Lage in Bezug auf ein Reich Israel um 1000 vor Christus. Auf der einen Seite stehen Archäologen, die ein großes und geeintes Reich Israel unter einem König David für möglich halten. Ihrer Ansicht nach gibt es zumindest indirekte Hinweise darauf, dass um rund 1000 vor Christus ein Umbruch stattfand: In Juda verdoppelte sich die Bevölkerungsdichte und es wurden an einigen Orten Städte mit monumentalen Bauten errichtet. Eliat Mazar und einige ihrer Kollegen sehen darin ein Indiz für eine starke Zentralregierung und gegen bloß lokale Entwicklungen.
Ein Legitimations-Mythos?
Ihnen gegenüber stehen „minimalistische“ Archäologen wie Israel Finkelstein von der Universität Tel Aviv. Sie sehen in den Berichten der Bibel, die allesamt mindestens 250 Jahre nach der Zeit Davids entstanden, eher eine Art Herkunftslegende. Es sei ein Mythos, der die Legitimität und den Machtanspruch der aktuellen Herrscher und der Religion stützen sollte. An ein großes, vereintes Reich Israel unter einem König David glauben diese Forscher nicht.
Auch an Jerusalem als Regierungssitz und Zentrum von Davids Reich haben sie Zweifel. Genährt werden diese durch die Aufzeichnungen des ägyptischen Pharaos Scheschonq I., der um 925 vor Christus einen erfolgreichen Feldzug gegen Israel und Juda führte. In einem Relief an einem Tempel von Karnak werden die dabei von den Ägyptern besiegten Städte ausführlich aufgelistet. Doch Jerusalem ist nicht dabei. Das könnte bedeuten, dass die „Stadt Davids“ selbst nach dessen Tod noch keine große überregionale Bedeutung besaß. „Es gibt keinen Beleg dafür, dass Jerusalem damals ein Sitz politischer Macht war“, sagt der britische Archäologe Philip Davies.
Nur lokale Bedeutung?
Tatsächlich neigen inzwischen Archäologen beider „Fraktionen“ dazu, im Reich Davids eher ein kleines, lokales Königreich zu sehen. „Ich sage, dass das Königreich Israel damals existierte“, betont Yosef Garfinkel. „Es war vermutlich ein kleines Reich, nicht so glorreich, wie es die Bibel darstellt. Aber das bedeutet nicht, dass es gar nicht vorhanden war.“ Ähnlich sieht es auch der Minimalist Finkelstein: „Wir reden hier nicht über ein großes Reich, das von einer prachtvollen Hauptstadt aus regiert wurde, wie es beispielsweise für Assyrien oder selbst Nordisrael im neunten vorchristlichen Jahrhundert galt.“
Doch solange Archäologen nicht weitere, eindeutigere Funde in Jerusalem, dem judäischen Hochland oder anderen Gebieten des Nahen Ostens machen, wird der Streit um Davids Reich nicht enden. Der biblische König und seine Zeit bleiben eines der brisantesten und umstrittensten Themen der biblischen Archäologie.
Nadja Podbregar
Stand: 23.05.2018