Auf etwa 250 Geburten kommt eine von eineiigen Zwillingen. Sie gehen aus einer einzigen befruchteten Eizelle hervor, die sich teilt und zu zwei Embryos heranwächst – sie klont sich damit quasi selbst. Die beiden Kinder besitzen daher exakt die gleiche genetische Ausstattung. Sollte einer der beiden jemals straffällig werden, könnte auch ein genetischer Fingerabdruck nicht eindeutig einem der Zwillinge zugeordnet werden. Das allerdings nur deshalb, weil sich die Polizei mit ihren Untersuchungsmethoden noch nicht auf Erkenntnisse aus der Epigenetik eingestellt hat. Denn würde man sich die DNA der Zwillinge genauer anschauen, kämen doch Unterschiede zutage – keine genetischen, aber epigenetische.
Obst versus Fast Food
Dies zeigt das Beispiel von Anabel und Gemma Molero aus Barcelona. Wie viele eineiige Zwillinge haben auch diese beiden vieles gemeinsam erlebt und viele gleichartige Erfahrungen gemacht. Mit 16 Jahren jedoch trennen sich die Wege der Zwillinge. Die eine geht nach England, die andere nach Mexiko. Ihr Lebensstil unterscheidet sich von nun an – und auch ihre Essgewohnheiten sind anders. Gemma steht auf Fastfood, kocht selten und kauft sich lieber schnell etwas für Zwischendurch. Sie isst viel Pasta und Fleisch. Anabel dagegen mag Obst und Gemüse, kocht gern und achtet auf eine gesunde Ernährung, außerdem treibt sie viel Sport.
Als eineiige Zwillinge sind Anabel und Gemma prädestiniert für epigenetische Untersuchungen. Sie haben daher an einem Programm des Madrider Krebsforschungsinstituts teilgenommen. Das forscht bereits seit den 1990er Jahren an den genetischen Eigenheiten von Zwillingen. Manel Esteller geht seit dem Jahr 2005 der Frage nach, warum Zwillinge wie Anabel und Gemma trotz gleicher Gene unterschiedlich schnell krank werden. Seine Zwillingsstudie in Madrid umfasst eineiige Pärchen zwischen drei und 74 Jahren. Die Forscher untersuchen bei diesen unter anderem Speichelproben auf genetische und epigenetische Unterschiede.
Dieselben Gene funktionieren anders
Die Speichelproben der zwei jungen Frauen zeigen: Die Gene der beiden sind nach wie vor identisch, doch sie funktionieren offenbar unterschiedlich. Etwa zwei Drittel der untersuchten Zwillinge wiesen deutliche Unterschiede in ihrem Methylierungsmuster auf. Bei den Jüngsten waren die Unterschiede am geringsten. Doch je älter die Zwillinge wurden, desto größer wurden auch die Differenzen. Besonders ausgeprägt waren sie bei Paaren, die schon früh eigene Wege gegangen waren – wie Anabel und Gemma.
Einen Hinweis auf den Grund liefern die Fragebögen, die die Probandinnen über ihren Lebensstil und ihre Essgewohnheiten ausfüllen mussten. „Überraschenderweise ist die DNA-Methylierung je nach Lebensstil verschieden“, so Esteller. Die Umwelt hat also offensichtlich doch einen größeren Einfluss auf die Gene als bisher vermutet, nur wird dadurch nicht das Genom verändert, sondern das Epigenom.
Edda Schlager
Stand: 26.02.2013