Im Laufe ihrer Tauchgänge begegnen die Forscher immer wieder den verschiedensten Höhlenbewohnern. Die Palette beginnt dabei mit vorübergehenden „Gästen“ – Tieren, die normalerweise im Ozean oder am Meeresgrund leben und nur einen Teil ihrer Zeit in den Höhlen verbringen. Diese Organismen finden sich meist an den Höhleneingängen und in den Teilen der Passagen, die direkten Zugang zum Meer haben.
Zonierung vom Eingang in die Tiefen
Zu ihnen gehören viele Fische, einige Krebsarten, aber auch zahlreiche deutlich weniger mobile Tiere, die den ständigen Wasserein- und ausstrom am Höhleneingang zur Nahrungsaufnahme nutzen. „Bunt gefärbte Schwämme, Polypen, Tunikaten und andere Aufwuchsorganismen bedecken die Wände und Decke buchstäblich über und über“, berichtet Tom Iliffe vom Biospeleologischen Labor der Texas A&M University.
Folgt man jedoch dem Gang weiter in die Höhle hinein, ändert sich das Bild: „Mit den abnehmenden Strömungen und eingespülten Nährstoffen nimmt auch die Dichte dieser Lebewesen ab“, so Iliffe. In den klaren Wassern der tieferen Höhlenregionen dominieren zunehmend die echten Höhlenbewohner. Diese sogenannte Stygobiten sind an das Leben im Dauerdunkel der unterirdischen Gänge und Tümpel angepasst. Oft besitzen sie keine Augen mehr und ihre Körper sind unpigmentiert.
Krebse vom anderen Ende der Erde
„Obwohl solche Stygobiten seit langem aus Süßwasserhöhlen bekannt sind, hat man ähnliche Tiere aus salzwassergefüllten Höhlen erst vor kurzem entdeckt“, erklärt Iliffe. Allein in den Salzwasserhöhlen der Bermudas habe man inzwischen 75 höhlenspezifische Tierarten identifiziert. Die meisten von ihnen gehören zu den Krebstieren, aber auch Schnecken, Milben, Wimperntierchen und Würmer sind darunter.
Eine in den Unterwasserhöhlen neuentdeckte Flohkrebsart hat zwar Verwandte im Grundwasser der Mittelmeerregion und Frankreichs, wurde aber auf den Bermudas oder sonstwo jenseits des Atlantiks noch nirgendwo sonst gefunden. Das sei kein Einzelfall, berichtet Iliffe: „Obwohl sie auf unterirdische Lebensräume spezialisiert und daher meist sehr isoliert sind, findet man viele gleiche Vertreter der Höhlentiere an entgegengesetzten Seiten der Erde“, so der Forscher.
Überbleibsel vom Urkontinent?
Wie die eng verwandten Arten sich so weit voneinander entfernt ansiedeln konnten – mit tausenden von Kilometern für sie ungeeigneter und damit nahezu unüberwindbarer Lebensräume dazwischen – ist bisher noch unklar. „Eine Theorie erklärt dies damit, dass viele Höhlentiere schon vor 200 Millionen Jahren entstanden, zu einer Zeit, als alle Kontinente zu einem einzigen Superkontinent vereint waren“, sagt Iliffe. Mit dem Auseinanderdriften der Erdplatten wurden auch die in den Höhlen lebenden Tiere in alle Welt verstreut. Eine der in den Bermuda-Höhlen entdeckten Tierarten gelten als lebende Fossilien – sie sprechen für diese Theorie.
Eine andere Theorie geht davon aus, dass die Stygobiten der Meereshöhlen ursprünglich Bewohner der Tiefsee waren. Von dort an Dunkelheit und Nahrungsarmut gewöhnt, wanderten sie in Höhlen ein und ließen sich dort nieder. „Andere vermuten, dass diese Höhlentierarten in ihren unterirdischen Lebensräumen strandeten, als sich das Urmeer Tethys zurückzog und sie keine Möglichkeit mehr hatten, das offene Meer zu erreichen“, erklärt Iliffe.
Nadja Podbregar
Stand: 18.11.2011