Bis heute ist Albert Einstein ein echter Star. Selbst Menschen, die sich keinen Deut für Wissenschaft interessieren, kennen seinen Namen. Seit Jahren führt er zudem unangefochten die Rangliste der populärsten Nobelpreisträger aller Zeiten an. Und das durchaus zu Recht. Denn obwohl seine Allgemeine Relativitätstheorie inzwischen ein Jahrhundert alt ist, hat sie alle experimentellen Tests mit Bravour überstanden und nichts von ihrer Bedeutung verloren. Ohne sie wären bedeutende Erkenntnisse über unser Universum bis heute verborgen.
„Es ist natürlich die Relativität, die Einsteins Namen in aller Munde brachte“, schrieb Einsteins späterer Kollege Banesh Hoffmann vom Queen’s College in New York zu dessen 70. Geburtstag. „Es kann keine Frage darüber geben, dass diese eine revolutionäre Errungenschaft ihn bis heute aus allen heraushebt.“ Und der Physiker Max Born bezeichnete die Relativitätstheorie als „die größte Bravourtat menschlichen Denkens über die Natur und die erstaunlichste Kombination von philosophischer Durchdringung, physikalischer Intuition und mathematischem Können.“
Alle Tests mit Bravour bestanden
Aber welche Bedeutung hat die Allgemeine Relativitätstheorie heute tatsächlich? Klar ist, dass sie die Basis für die gesamte moderne Kosmologie bildet. Denn Phänomene wie Neutronensterne, Schwarze Löcher oder Gravitationslinsen ließen sich ohne sie nicht physikalisch erklären – und dienen gleichzeitig als experimenteller Test für Einsteins Theorie. Auch die Krümmung der lokalen Raumzeit durch die Schwerkraft und Rotation der Erde lässt sich inzwischen messen.
„Wir haben die Allgemeine Relativitätstheorie inzwischen auf unzählige Arten getestet“, sagt Roger Blandford von der Stanford University. „Aber es gibt bisher keine glaubwürdige Messung oder Beobachtung, die einen an der Theorie im Rahmen ihrer Gültigkeit zweifeln lassen.“ Sogar für die von Einstein postulierten Gravitationswellen, Schwingungen der Raumzeit, die durch die Wechselwirkung sehr großer Massen auftreten, gibt es zumindest indirekte Hinweise.
Der direkte Nachweis dieser Wellen steht allerdings bisher aus. Die dafür gebauten Detektoren Geo600, Virgo und LIGO sind noch nicht empfindlich genug, um die winzigen Dehnungen und Stauchungen zu registrieren, die die Gravitationswellen auf der Erde hervorrufen. Aber das könnte sich in naher Zukunft mit der nächsten Generation dieser Detektoren ändern. In den nächsten Tagen startet zudem die LISA Pathfinder-Sonde der ESA. Sie wird im Weltall eine weitere Technologie testen, mit der ab 2034 eine Folgesonde Gravitationswellen aufspüren soll.
Von GPS bis Schrödingers Katze
Aber auch ganz alltägliche Technik ist ein sozusagen lebender Beweis für Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie: Würde man den von Einstein vorhergesagten Effekt der Gravitation auf die Zeit nicht berücksichtigen, wäre das GPS-System grauenvoll ungenau. Denn die Atomuhren auf den GPS-Satelliten sind einer geringeren Schwerkraft ausgesetzt als die irdischen Empfänger und gehen daher schneller. Weil aber die Ortung auf der Laufzeit der Funksignale basiert, würde unser Navi uns hoffnungslos in die Irre führen, wenn diese Zeitdehnung nicht mit eingerechnet wäre.
Diese Zeitdehnung könnte einer aktuellen Studie nach sogar erklären, warum Phänomene der Quantenphysik wie die Überlagerung von Zuständen – Schrödingers berühmte Katze – nicht in der Makrowelt funktionieren: Winzige Unterschiede im Zeitverlauf, beispielsweise zwischen den Atomen in unserem Kopf und unseren Füßen, stören die Kohärenz und verhindern so diesen Quantenzustand bei größeren Objekten.
Die „Eselei“ und ihre triumphale Rückkehr
Und sogar die kosmologische Konstante, die Einstein selbst einmal als „meine größte Eselei“ bezeichnet haben soll, ist heute aktueller denn je. Einstein fügte diese Konstante Lambda nachträglich ein, weil seine Formel sonst nicht der damals vorherrschenden Vorstellung eines statischen Universums genügen würde. Als dann Edwin Hubble bewies, dass sich das Universum ausdehnt, entfernte er sie wieder – und hielt sie für einen Fehler.
Inzwischen allerdings erlebt die kosmologische Konstante eine Renaissance. Denn 1998 entdeckten Astronomen bei der Vermessung ferner Supernovae, dass sich unser Universum nicht nur ausdehnt – es wird dabei sogar immer schneller. Der Grund dafür ist höchstwahrscheinlich die Dunkle Energie, eine geheimnisvolle Kraft, die der Gravitation entgegenwirkt und dadurch die Expansion antreibt. Ihr Einfluss jedoch lässt sich in Einsteins Gleichungen sehr gut mit der kosmologischen Konstante beschreiben. „Einsteins größter Fehler erweist sich damit aus moderner Sicht eher als eine seiner außergewöhnlichsten Einsichten“, meint Blandford.
Und auch der Rest der Allgemeinen Relativitätstheorie ist heute noch so wegweisend und aktuell wie vor hundert Jahren: „Die Landschaften, die Einstein uns enthüllte, bleiben auch heute noch bemerkenswert lebendig und fruchtbar“, kommentiert der Physiker Brian Greene. „Einsteins Allgemeine Relativität ist fest in das Gewebe heutiger Spitzenforschung eingewoben.“
Nadja Podbregar
Stand: 20.11.2015