Der „Bann“, mit dem die meisten Geowissenschaftler Wegeners Theorie belegt hatten, sollte noch einige Jahrzehnte anhalten. Bis in die 1960er Jahre hinein favorisierten die tonangebenden Gesellschaften und Forscher noch immer die Theorie der Landbrücken, trotz aller ihrer Defizite und Mängel. Doch mit immer neuen Forschungsergebnissen und vor allem der systematischen Erkundung der Meeresböden, begann sich dies langsam zu ändern.
Unterseeische Gebirge liefern erste Argumente
Den Anstoß gaben schon 1925 die Funde des deutschen Forschungsschiffs Meteor, das bei regelmäßigen Echolotmessungen in der Mitte des Atlantiks auf einen langgestreckten Gebirgszug stieß. Dieser Mittelatlantische Rücken erstreckte sich vom Norden bis in den Südwesten Afrikas. Später zeigte sich, dass sich solche mittelozeanischen Rücken wie die Nähte eines Tennisballs rings um die Erde ziehen. 1953 entdeckten die amerikanischen Physiker Maurice Ewing und Bruce Heezen im Zentrum jedes dieser Unterwassergebirge tiefe Gräben, die Rifttäler, entlang derer sich Erdbeben und Vulkanismus häuften. Schon bald assoziierte man diese Gräben mit Brüchen in der Kruste der Erde.
Bestätigt wurden diese Annahmen durch die Forschungen des amerikanischen Geologen Harry Hess, der sich angesichts der neuen Erkenntnisse seiner eigenen, schon kurz nach dem zweiten Weltkrieg durchgeführten Forschungen erinnerte. Damals hatte er bereits hunderte von seltsamen, vulkanartigen Bergen mit abgeflachten Kuppen in der Nähe der mittelozeanischen Rücken beobachtet, die er Guyots taufte. Bis 1960 hatte er eine Hypothese entwickelt, nach der das erdumspannende System der mittelozeanischen Rücken nichts anderes war, als der Ort, an dem neuer Ozeanboden entstand.
Durch Risse in der Erdkruste gelange an diesen Stellen heißes Magma an die Oberfläche und drücke den bestehenden Meeresboden zu beiden Seiten auseinander. In den Tiefseegräben sinke das erkaltete Material langsam wieder in die Tiefe. Wie ein Förderband könne diese Bewegung ohne Probleme auch die aus leichterem Material bestehenden Kontinente Huckepack mit sich tragen. Oder wie Hess es beschrieb: „Die Kontinente pflügen nicht unter Einwirkung unbekannter Kräfte durch die ozeanische Kruste, sie reiten passiv auf Mantelmaterial, das am Kamm des Rückens an die Oberfläche kommt und sich dann seitwärts davon weg bewegt.“
Magnetismus kommt Wegeners Theorie zu Hilfe
Wenn sich diese Hypothese noch durch andere Daten bestätigen ließ, war einer der Motoren für Wegeners Theorie der Plattentektonik gefunden. Und genau diese Daten wurden – von unerwarteter Seite – prompt beschafft. Australische Forscher starteten 1956 ein Projekt, in dem sie durch die Messung des Magnetismus herausfinden wollten, ob sich die Kontinente relativ zueinander bewegten oder die Pole wanderten. Die von ihnen beobachteten Abweichungen in den Magnetfeldern an verschiedenen Orten zeigten deutlich, dass die Kontinente in der Vergangenheit ihre Lage verändert haben mussten – ein weiterer Baustein für die Rehabilitation von Wegeners Plattentektonik.
Und auch die Rolle der mittelozeanischen Rücken und Hess‘ Hypothese wurden gestärkt: Bei Magnetfeldvermessungen des Ozeanbodens zeigte sich ein erstaunliches Phänomen. Zu beiden Seiten der mittelozeanischen Rücken bildeten die unterschiedlich gepolten Gesteine ein symmetrisches Streifenmuster. Nach Ansicht der Geophysiker Frederick Vine und Drummond Matthews waren diese auffälligen Symmetrien deutliche Anzeichen dafür, dass in der Mitte dieser Streifen neuer Ozeanboden gebildet wird. Das heiße Magma steigt auf, fließt zur Seite ab und erkaltet langsam. Dabei „konserviert“ sein Magnetfeld die Ausrichtung, die das Erdmagnetfeld zur Zeit seiner Kristallisation gerade besitzt.
Für viele Geologen war damit zumindest ein entscheidendes Indiz dafür gefunden, dass die Erdkruste tatsächlich nicht statisch ist, sondern sich in ständiger Bewegung befindet. Mitte der 1960er Jahre schließlich begann sich auch das schon von Wegener angedeutete Konzept der Erdplatten durchzusetzen. Immer mehr Institutionen und Forscher, die sich bis dahin eher skeptisch gezeigt hatten, schwenkten nun auf das Konzept der wandernden Platten um.
Mit fast einem halben Jahrhundert Verspätung wurden Wegener und seine visionäre Theorie endlich anerkannt und rehabilitiert – doch der Meteorologe und Polarforscher erlebte seinen Triumph nicht mehr. Er war bereits 1930 auf einer Grönlandexpedition ums Leben gekommen.
Nadja Podbregar
Stand: 21.02.2001