Künstliche Lichtquellen bestimmen unseren Alltag: Immer bessere Lampen lassen uns bei keiner Gelegenheit im Dunkeln stehen, Straßenlaternen sichern den zunehmenden Verkehr bei Nacht, Fernseher und Computerbildschirme versorgen uns strahlend mit Informationen. Seit elektrisches Licht jederzeit und praktisch überall verfügbar ist, bestimmt Tageslicht schon lange nicht mehr den Tagesrhythmus. Internet-Nutzungsdaten beispielsweise zeigen, dass vor allem in reichen Industrienationen kaum noch echte Nachtruhe existiert: Irgendjemand ist immer wach, und zumindest der Online-Betrieb schläft nie.
Diese Aktivität rund um die Uhr erfordert zusätzliches Licht: Büro- und Wohnhäuser sind oft fast die ganze Nacht hindurch beleuchtet. Zunehmender Straßenverkehr führt zu stärker ausgebauten Straßenbeleuchtungen und mehr Licht durch Autoscheinwerfer. Leuchtreklamen und Flutlicht liefern ebenfalls einen Beitrag. Besonders unsere Städte werden immer heller – jährlich nimmt die sogenannte Lichtverschmutzung um rund fünf Prozent zu.
Skyglow überstrahlt die Sterne
Direkt sichtbar wird die Lichtverschmutzung anhand des Sternenhimmels. Ein großer Teil des von uns erzeugten Lichts strahlt in den Himmel und wird dort gestreut. Über dicht besiedelten Gebieten und besonders über Stadtzentren taucht das gestreute Licht den ganzen Himmel während der Nacht in einen rötlich-gelb glühenden Schimmer. Dieser sogenannte „Skyglow“ überstrahlt schwach leuchtende Sterne, oft bleiben nur wenige der hellsten Sterne sichtbar.
Für die Astronomie ist dieses Phänomen äußerst lästig: Kann man in einer dunklen Nacht bis zu viertausend Sterne zählen, sind am Himmel über einer hellen Stadt gerade mal eine Hand voll sichtbar. Auch aus diesem Grund weichen die großen Sternwarten mit ihren Teleskopen an abgelegene Standorte aus, wie etwa die Europäische Südsternwarte in der chilenischen Atacama-Wüste. Die spärliche Bevölkerungsdichte garantiert dort noch einen sternenreichen Nachthimmel ohne störendes „Schmutzlicht“.
Messung mit Satellit und Smartphone
Wissenschaftler um Christopher Kyba vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin erforschen die Lichtverschmutzung und ihre Effekte bereits seit längerem. In ihrem Projekt „Verlust der Nacht“ kann jeder Smartphone-Nutzer mit der passenden App dabei helfen, das Ausmaß zu bestimmen.
Die tatsächliche Lichtverschmutzung zu messen, ist nämlich gar nicht so einfach: Wissenschaftler stützen ihre Beobachtungen vor allem auf Satellitenaufnahmen. Damit man darauf erkennt, wie hell erleuchtet die Städte erscheinen, dürfen natürlich keine Wolken das Bild verdecken. Allerdings messen Satelliten nur das tatsächlich abgestrahlte Licht. Die eigentliche Lichtverschmutzung entsteht jedoch durch Licht, welches in der Atmosphäre gestreut und zurück zur Erde reflektiert wird.
Wolken verstärken Lichtverschmutzung
Versperren Wolken den Blick eines Satelliten, nimmt dieser praktisch kein Licht mehr wahr. Ein wolkenbedeckter Himmel reflektiert jedoch sehr viel vom Boden abgestrahltes Licht. Ein städtischer Nachthimmel kann dadurch bei bewölktem Wetter zehnmal heller sein als in einer sternenklaren Nacht. Die ansonsten dunklen Wolken erscheinen strahlend hell. Die „Verlust der Nacht“-App liefert den Wissenschaftlern genau solche Daten über den tatsächlichen Eindruck, wie Beobachter am Boden ihn wahrnehmen.
Weltweiter Spitzenreiter bei der Lichtverschmutzung ist übrigens die Stadt Hongkong: Hier ist der Nachthimmel tausendmal heller als eine sternenklare Nacht in einer Region ohne jede künstliche Beleuchtung. Während die meisten Großstädte die öffentliche Beleuchtung mittlerweile gesetzlich regulieren und in Grenzen halten, gibt es im dicht besiedelten Hongkong keinerlei solche Beschränkungen. Vor allem die Beleuchtung der Wolkenkratzer, grelle Werbetafeln und Straßenbeleuchtungen tragen dort zum Lichtermeer bei.
Ansgar Kretschmer
Stand: 12.12.2014