Medizin

Und wo ist der Haken?

Nebenwirkungen und Schattenseiten der Abnehmspritze

So vielversprechend Semaglutid für die Therapie von Adipositas ist, ganz ohne Nebenwirkungen und offene Fragen ist auch dieser Wirkstoff nicht.

Dosierung
Um die anfängliche Übelkeit in Grenzen zu halten, beginnt die Semaglutid-Therapie mit einer niedrigen Dosis und steigert diese dann schrittweise.© imyskin/ Getty images

Nicht ohne Nebenwirkungen

Eine fast bei allen Nutzern auftretende Nebenwirkung von Semaglutid ist Übelkeit, die vor allem am Anfang der Therapie und kurz nach der wöchentlichen Spritze auftritt. „Das liegt auch am Wirkmechanismus im Zentralnervensystem“, erklärt Jens Aberle vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Denn Semaglutid bindet an GLP-1-Rezeptoren im Brechzentrum unseres Hirnstamms und aktiviert damit die mit Brechreiz und Übelkeit verbundenen Signalwege. Außerdem häufig sind Verdauungsstörungen wie Durchfälle oder Verstopfung.

„Das ist auch der Grund, weshalb man die Dosierung langsam steigert. Unsere Patienten beginnen immer mit 0,25 Milligramm für einen Monat, dann 0,5, dann ein Milligramm“, erklärt Aberle. In der Regel klingen Übelkeit und Verdauungsstörungen aber im Laufe der Zeit ab, weil sich der Körper an das Mittel gewöhnt.

Vorsicht bei zu raschem Gewichtsverlust

Ein weiteres Risko sind Gallensteine: Sie traten in den Studien mit Semaglutid etwa doppelt so häufig auf – 2,6 Prozent statt 1,2 in der Placebogruppe. Schuld daran ist aber weniger das Mittel selbst als vielmehr der Gewichtsverlust und Fettabbau. Denn auch ohne Semaglutid wird bei raschem Abnehmen vermehrt Cholesterin frei, das von der Leber in die Galle gelangt und dort zu Steinen auskristallisiert. Empfohlen wird daher, den Gewichtsverlust unter 1,5 Kilogramm pro Woche zu halten – dies gilt auch für jede Form der Diät.

Unklar ist zurzeit noch, wie sich Semaglutid und Co auf das Krebsrisiko auswirken. In Tierversuchen gab es ein leicht erhöhtes Risiko für bestimmte Arten des Schilddrüsenkrebses und für Bauchspeicheldrüsenkrebs. Dies wurde allerdings in klinischen Studien mit Menschen bisher nicht beobachtet. Umgekehrt erhöht eine anhaltende Fettleibigkeit das Risiko für viele Krebsbarten messbar – insofern verringert das Abnehmen mit Semaglutid das Krebsrisiko insgesamt gesehen eher. Menschen mit Schilddrüsenproblemen, Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse oder Nierenschwäche wird dennoch zur Vorsicht geraten.

Lebenslängliche Einnahme?

Doch es gibt noch einen weiteren großen Haken bei der Abnehmspritze: Semaglutid wirkt nur so lange, wie es regelmäßig dem Körper zugeführt wird. Setzt man die Spritze ab, lässt auch die Hemmung des Hungergefühls und die Wirkung auf das Verdauungssystem nach. In den Studien nahm daher ein Teil der Testpersonen nach Absetzen des Wirkstoffs wieder zu. Ähnliches hatte sich schon vorher auch in Tierversuchen mit Mäusen und Ratten gezeigt. Einen dauerhafte Abnehmerfolg sichern Wegovy und Co demnach oft nur dann, wenn sie lebenslang angewendet werden.

Genau das ist jedoch vielen Semaglutid-Nutzern nicht klar – auch, weil es oft nicht eindeutig kommuniziert wird: „Die allermeisten Patienten sehen das erst mal als temporären Support und beginnen die Therapie nicht mit der Vorstellung, das dann lebenslang durchzuführen“, sagt Aberle. Umso wichtiger sei es, dass Patienten die Chance nutzen, während der Semaglutid-Behandlung ihren Lebensstil und ihre Ernährung nachhaltig umzustellen.

Ohne Umstellung der Lebensweise geht es nicht

„Insofern ist es wichtig, auch die Lebensstilberatung und die Verhaltenstherapie während der Phase der medikamentösen Therapie immer wieder zu adressieren“, sagt Aberle. Denn das gibt den Patienten eine Chance, dann auch ohne Medikament das Gewicht zu halten. Was das konkret heißt, erläutert Anja Hilbert von der Adipositasambulanz am Universitätsklinikum Leipzig: „Es beinhaltet zum Beispiel, Patienten anzuleiten, ihre Ernährung gut zu beobachten, also einen Überblick zu bekommen, was sie essen, wann sie essen, wie viele Kalorien sie aufnehmen, und eben auch identifizieren zu können, wie man Ernährungsverhalten verändern kann.“

Mit anderen Worten: Auch die Abnehmspritze erspart es einem nicht, ungesunde Gewohnheiten abzulegen, die Ernährung umzustellen und mehr Bewegung ins Leben zu bringen.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Abnehmspritze gegen Adipositas
Was bringen Semaglutid und Co gegen das Übergewicht?

Ein oft aussichtsloser Kampf
Warum das Abnehmen bei Adipositas so schwer ist

"Ein echter Gamechanger"
Wie gut funktioniert das Abnehmen durch Semaglutid?

Wie wirkt Semaglutid?
Das Funktionsprinzip der GLP-1-Analoga

Und wo ist der Haken?
Nebenwirkungen und Schattenseiten der Abnehmspritze

Bald Tablette statt Spritze?
Optimierte Präparate sind schon im Kommen

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