Ohne sie wären wir taub, blind, bewegungsunfähig und obendrein eine leichte Beute für jeden Krankheitserreger. Denn erst die Proteine ermöglichen uns die Wahrnehmung von Reizen, die Steuerung unserer Muskeln oder die Reaktion unserer Immunabwehr auf eingedrungene Erreger. Entscheidend für all diese Prozesse sind Proteine, die fest in der Membran unserer Zellen verankert sitzen.
Diese Rezeptoren an der Zelloberfläche sind ähnlich spezifisch wie die Enzyme: Nur bestimmte Moleküle können sich mit ihnen verbinden. Geschieht dies, katalysieren diese Proteine aber keine chemische Reaktion wie die Enzyme. Stattdessen bewirkt das angedockte Molekül eine Strukturänderung des Proteins.
Tunnel in der Membran
Das aber hat Folgen: Weil die Rezeptoren oft durch die Zellmembran hindurch reichen, kann so ein Signal von außerhalb der Zelle ins Innere weitergeleitet werden. Dies kann dort dann eine ganze Kaskade von weiteren Reaktionen starten oder dafür sorgen, dass sich ein Kanal in der Zellmembran öffnet, durch den wichtige Stoffe ein oder ausgeschleust werden.
Ein besonders wichtiger Rezeptor befindet sich im Nervensystem: der Acetylcholin-Rezeptor. An den Kontaktstellen zwischen Nerv und Muskel durchspannt er die Zellmembran und bildet einen Tunnel. Unter normalen Umständen ist dieser Tunnel geschlossen. Um ein Signal zu übertragen, schüttet die Nervenzelle einen Botenstoff aus, das Acetylcholin. Sobald dieser Botenstoff an den Rezeptor gelangt, öffnet dieser die Pforten: Natriumionen strömen durch den geöffneten Kanal und verändern das elektrische Potential der Zelle. Das elektrische Nervensignal fließt so von einer Zelle in die nächste. Erst das Protein ermöglicht damit die Nervenaktivität – und damit unser gesamtes Denken, Handeln und Fühlen.
Perfektes Enzym entschärft Rezeptorfeuer
Und noch ein Protein hilft bei der Nervenleitung mit: Damit der Rezeptor kein Dauerfeuer von sich gibt und permanent geöffnet bleibt, muss das Acetylcholin auch wieder entfernt werden. Für diese Aufgabe ist wiederum ein Enzym zuständig: die Acetylcholinesterase. Sie gilt als „perfektes Enzym“, das sein Substrat schneller umsetzt als ein neues Substratmolekül nachströmen kann. Bis zu 25.000 Acetylcholinmoleküle pro Sekunde kann ein einzelnes Proteinmolekül verarbeiten. Aufgrund ihrer strategischen Lage sind sowohl das Enzym als auch der Rezeptor selbst Angriffspunkt für zahlreiche Wirkstoffe.
Bei Nervenkrankheiten wie Parkinson oder Alzheimer kommen Medikamente wie Galantamin und Huperzin zum Einsatz, die den Abbau des Acetylcholins verzögern, indem sie das Enzym hemmen. So soll der Nervenimpuls verlängert und damit verstärkt werden. Das Pfeilgift Curare blockiert den Rezeptor und verhindert das Andocken des Acetylcholins. Nikotin hingegen bindet noch stärker als der eigentliche Botenstoff und öffnet den Kanal durch die Membran. Und ganz ähnlich wirkt an derselben Stelle auch eine der bekanntesten Drogen unserer Zeit: das Koffein.
Ansgar Kretschmer
Stand: 21.03.2014