In einer weiteren Studie beschäftigten wir uns mit folgender, ebenfalls anwendungsrelevanten Frage: Werden Lerninhalte, die kurz vor dem Einschlafen gemeinsam mit einem bestimmten Geruch präsentiert werden, besser vom Gehirn abgespeichert, wenn der gleiche Geruch während des Schlafes noch einmal präsentiert wird?
Der Schlafforscher Björn Rasch von der Université de Fribourg in der Schweiz hat von einem solchen Effekt erstmals im Jahr 2007 berichtet. Seine Hypothese besagt, dass der während des Tiefschlafes erneut dargebotene Geruch die im Wachen assoziierten Lerninhalte reaktivieren und so zu einer besseren Konsolidierung des Gelernten beitragen kann. In einem Experiment mit Memorykarten klappte dies auch ganz gut.
Stadt oder Land?
Wir sind dieser Hypothese nachgegangen: Am Abend präsentierten wir Versuchspersonen eine Bilderserie mit typischen Land- und typischen Stadtszenen, und zwar jeweils in Kombination mit dem angenehmen Rosenduft und dem unangenehmen Geruch nach faulen Eiern. Dieser Versuchsteil entspricht der Lern- und Assoziationsphase im Wachzustand. In der Nacht wurden die Teilnehmer während der REM-Schlafphase erneut mit dem angenehmen beziehungsweise unangenehmen Geruch stimuliert.
Nach zehn Sekunden Reizeinwirkung und einer Wartezeit von einer Minute wurden die Träumenden geweckt und ihre Traumberichte erfasst. Anschließend wurden die Berichte unabhängigen Beurteilern vorgelegt, die einschätzen sollten, inwieweit in den Träumen Themen vorkamen, die mit ländlichen Szenen beziehungsweise mit städtischen Szenen verbunden sind. Die anschließende Auswertung prüfte dann, ob die Träume mehr Bilder aus dem Themenfeld enthielten, die in der Lernphase mit dem Geruch assoziiert worden war.
Klappt – aber nur zum Teil
Für ein Themenfeld konnten wir den erwarteten Effekt tatsächlich nachweisen: Der passende Duft förderte Träume ländlichen Motive. Grundsätzlich scheint es also möglich, im Wachzustand erlernte Assoziationen mithilfe von Geruchsreizen, die während des REM-Schlafes erneut präsentiert werden, zu reaktivieren. Ob dies ebenfalls für den Tiefschlaf gilt, wie in der Studie des Kollegen Björn Rasch, ist jedoch offen.
Und noch etwas anderes stellten wir fest: Die Träume fielen positiver aus, wenn in der Lernphase Landszenen präsentiert wurden – ganz unabhängig vom Geruch. Nicht die Qualität des Geruchs, sondern die Gefühlstönung der Bilder scheint demnach die emotionale Färbung der Träume bestimmt zu haben. Wir ließen die Versuchspersonen deshalb nach dem Experiment noch einmal die Gefühlsqualität der Bilder einschätzen: Die Landszenen erwiesen sich als deutlich positiver als die Stadtszenen.
Viele offene Fragen
Ausgehend von diesen ersten Studien wollen wir künftig folgender Frage nachgehen: Ist die Gedächtnisleistung für die im Schlaf reaktivierten Bilder besser als für die nicht im Schlaf reaktivierten Bilder? Bislang ist gänzlich unklar, ob ein Auftreten von Lerninhalten im Traum zu einer Gedächtniskonsolidierung beitragen kann. Die beiden bislang dazu veröffentlichten Studien sind widersprüchlich: Während eine Forschergruppe einen Effekt auf das Gedächtnis schon nach einem kurzen Nickerchen aufzeigen konnte, konnten wir in einer eigenen Studie, die über die komplette Nacht erfolgte, keinen Effekt feststellen.
Eine Frage können die bisherigen Studien beantworten: Das Gehirn verarbeitet auch während des Schlafes eingehende Informationen und lässt sie ins Traumbewusstsein gelangen. Die große Frage aber, welche Funktion unsere Träume haben, ist nach wie vor unbeantwortet.
Michael Schredl, Universität Heidelberg / Ruperto Carola
Stand: 19.06.2015