Im Oktober 1873 hatte eine kleine Gruppe Fischer ein Erlebnis, das am Anfang der Aufklärung eines alten Mythos stand. Als sie bei der Bergung eines Wracks selbiges mit einem Enterhaken an ihr Boot ziehen wollten, schlug das vermeintliche Wrack einen großen harten Kiefer in die Bordwand und umschlang das kleine Ruderboot mit einem riesigen Tentakel. Tom, der zwölfjährige Sohn des Fischers, hackte einen langen Fangarm ab und verschaffte somit der Wissenschaft das erste, fast sechs Meter lange Beweisstück für die Existenz der Riesenkraken.
"Seemonster versenkt Segelschiffe"
Schon lange war dieses Fabelwesen der Meere bekannt gewesen. Der norwegische Bischof Erik Pontoppidan machte Architeuthis als Kraken in seiner im achtzehnten Jahrhundert veröffentlichten "Naturgeschichte Norwegens" der wissenschaftlichen Welt bekannt. Kraken ist das norwegische Wort für "Fabelhaftes Seemonster". Er beschrieb ihn als sehr groß – so groß, dass seine schlangenartigen Arme bis in die Masten der Segelschiffe reichten, die er angreifen und mit sich in die Tiefe ziehen konnte.
Ein wenig übertrieben werden diese Mythen schon gewesen sein, auch wenn es sich bei Architeuthis um das größte räuberische Weichtier unseres Planeten handelt. Nur wenige Hundert Exemplare sind bis heute gefangen, gesichtet oder an die Strände der nördlichen und südlichen Hemisphäre gespült worden.
Saugnäpfe so groß wie Handteller
Die größten der wenigen gefundenen Exemplare maßen 23 Meter und wogen bis zu 900 Kilogramm. Bei der Abschätzung der Größe behilft sich die Wissenschaft mit den Spuren, die die Tiere hinterlassen. Im Kampf mit Pottwalen hinterlassen sie auf der Haut der Wale Abdrücke von ihren Saugnäpfen. Abdrücke mit einem Durchmesser von 20 Zentimetern sollen gefunden worden sein… das zugehörige Tier wäre dann 75 Meter groß. In neueren und wahrscheinlich seriöseren Berichten allerdings ist von einer maximalen Größe der Saugnäpfe von fünf bis 5,2 Zentimeter die Rede.
Über die Ernährungsweise des Architeuthis ist bis dato wenig bekannt, und wie so häufig in solch einem Fall ersetzen Geschichten das Faktenwissen. So beobachteten im Jahr 1966 zwei Leuchtturmwärter bei Danger Point, Südafrika, wie ein Architeuthis einen jungen Pottwal angegriffen haben soll. Während die Mutter dem Kampf hilflos zuschauen musste, blieben die beiden Tiere zehn bis zwölf Minuten ringend unter Wasser. Der kleine Wal tauchte dann für ein paar Sekunden wieder auf – genügend Zeit für ihn, um Luft zu holen. Dennoch soll er den Kampf verloren haben. Nach einer guten Stunde war von dem Architeuthis und dem Walkalb nichts mehr zu sehen.
Stand: 15.09.2006