Das technische Potential
Während die bereits seit langem etablierte Wasserkraft in Deutschland ihr Potential zu 75 Prozent ausgeschöpft hat, nutzen wir von den anderen Energieformen nicht mal ein Zehntel dessen, was möglich wäre. Bei der Windenergie schwankt die Nutzung je nach Bundesland zwischen 2,6 und 23 Prozent, die Hauptpotentiale liegen dabei in den windreichen Gegenden Norddeutschlands und der Mittelgebirge. Solarthermie, Photovoltaik und Geothermie nutzen ihre großen Potentiale erst minimal, obwohl sowohl die Sonneneinstrahlung als auch die geothermischen Energiequellen auch in Deutschland für eine Nutzung ausreichen.
Eine Auswertung von 20 verschiedenen Prognosen für die technischen Potentiale der verschiedenen Energieformen ergab erhebliche Unterschiede in den einzelnen Werten, dennoch stimmten sie in ihrer Grundaussage weitgehend darin überein, dass die Potentiale noch lange nicht ausgeschöpft sind.
Geht man davon aus, daß der Strom- und Wärmebedarf in Deutschland durch Einsparmöglichkeiten sogar noch erheblich gesenkt werden könnte, wäre die Deckung des gesamten Strombedarfs aus regenerativen Energien rein rechnerisch leicht möglich. Wissenschaftler des Stuttgarter Instituts für Energiewirtschaft errechneten, dass ein technisches Stromerzeugungungspotential von rund 663 TWh besteht – mehr als hundert TWh mehr als die 1997 insgesamt in Deutschland produzierte Strommenge.
Problem Fluktuation
Allerdings könnte man eine solche Strommenge nach der heutigen Struktur der Stromnetze nicht ohne weiteres ins Netz einspeisen. Zum einen entstehen Verluste durch Einspeisung und Speicherung des so erzeugten Stroms. Zum anderen ist die Produktion von Strom aus erneuerbaren Energien nicht gleichmäßig hoch, sondern zeigt typische Fluktuationen.
Diese Schwankungen entstehen durch die unregelmäßige Verfügbarkeit von Sonne oder Wind, und könnten zu Engpässen führen, wenn Zeiten hoher Nachfrage mit Zeiten geringer Produktion zusammenfallen. Je höher der Anteil des „alternativ“ erzeugten Stroms im Netz ist, desto stärkere Schwankungen müssen daher ausgeglichen werden.
Problem Kosten
Ein solcher Ausgleich wäre zwar technisch möglich, die nötigen Umbauten in Kraftwerken und im Versorgungsnetz wären aber extrem teuer. Speicher und Kraftwerke müßten so ausgerüstet werden, dass sie in Zeiten von Stromknappheit kurzfristig einspringen und zusätzlichen Strom ins Netz einspeisen können. Eine Untersuchung des Instituts für Energiewirtschaft bezifferte diese „Back-up“-Kosten auf geschätzte zwei bis drei Cent pro Kilowattstunde.
Die eigentlichen Stromentstehungskosten spielen ebenfalls eine prominente Rolle in der öffentlichen Diskusion. Strom aus erneuerbaren Energiequellen ist in Deutschland keineswegs „per se“ teurer als Strom aus konventionellen Anlagen, wie häufig vermutet. Es zeigen sich vielmehr deutliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Energieformen: Während die Stromerzeugung aus Sonnenenergie tatsächlich um mehr als eine Größenordnung teurer ist, sind die Kosten für Strom aus Wasser- und Windkraft, aber auch aus Biogas vergleichbar mit denen für konventionellen Strom.
Damit stellt die Sonnenenergie, trotz ihres hohen technischen Potentials, beim heutigen Stand der Technik zwar noch keine großtechnische Alternative zu konventioneller Stromerzeugung dar, sie kann aber bei dezentralem Einsatz dennoch sinnvoll und sogar wirtschaftlich sein.
Strom aus Wind- oder Wasserkraft ist dagegen auch heute schon eine wirtschaftlich machbare Alternative. Prognosen, die vom momentanen Stromverbrauch und zeitlichen Rhythmus der Stromentnahme ausgehen, zeigen, dass immerhin 56 TWh regenerativ erzeugter Energie sofort ins Stromnetz eingespeist werden könnten, ohne dass größere Veränderungen oder zusätzliche Kosten entstehen.
Stand: 19.11.2001
19. November 2001