Mit der Veröffentlichung seines Periodensystems hat Mendelejew das Rennen gewonnen. Als erstem ist es ihm gelungen, nicht nur die Elemente sinnvoll zu ordnen, sondern auch die Gesetzmäßigkeiten hinter ihren Eigenschaften aufzuzeigen. Seine Zeitgenossen sind allerdings erst einmal weit davon entfernt, ihn dafür zu feiern. Ganz im Gegenteil.
„Unerhört und unbewiesen“
Die Reaktionen rangieren zwischen kühler Ignoranz und glatter Ablehnung. Immerhin wagt es dieser Chemiker aus dem tiefsten Russland, gleich mehrere seiner berühmtesten Zeitgenossen und Vorgänger geradezu vorzuführen, ihnen falsche Ergebnisse vorzuwerfen. Unerhört so etwas. Meyer kritisiert seinen Konkurrenten öffentlich für seine „ungerechtfertigten Spekulationen“. Er versteht absolut nicht, woher Mendelejew die Autorität nimmt, sich über scheinbar bewiesene Atomgewichte hinwegzusetzen. Andere prophezeien seinem System ein nur kurzes Leben, da es ohnehin bald schon wieder überholt sein würde. Was es für die angewandte Wissenschaft bringen sollte, sei zudem absolut unklar.
Die Sache mit den „Eka“-Elementen
Doch Mendelejew lässt sich auch davon nicht weiter beirren: „Kein Naturgesetz, wie fundamental auch immer es sein mag, wurde auf einmal etabliert. Seiner Anerkennung gingen immer zahlreiche Vorurteile voraus“, konstatiert er lakonisch in einer seiner Schriften. Stattdessen legt er 1870 noch nach: Er präzisiert seine Vorhersage noch unbekannter Elemente und prognostiziert, dass jeweils unter Aluminium, Bor und Silizium ein weiteres Element fehlt und noch entdeckt werden muss.
Nach dem sanskrit-Ausdruck für „eins“ – „eka“ – tauft er diese Elemente Eka-Aluminium, Eka-Bor und Eka-Silizium und beschreibt bereits im Voraus ihre Eigenschaften, darunter die Atommasse, das spezifische Gewicht, die Art ihrer Salze und sogar die Lage des Schmelzpunkts. So sollte beispielsweise das Eka-Aluminium ein silberweißes Metall mit einer Dichte von 6 und einem Atomgewicht von 68 sein. Erneut handelt er sich damit eher Spott als Anerkennung ein.
Gallium: Und es gibt sie doch…
Ändern sollte sich dies erst fünf Jahre später, im November 1875: Der französische Chemiker Paul Émile Lecoq de Boisbaudran stößt im Emissionsspektrum eines Zink-Erzes auf zwei violette Spektrallinien, die mit keiner der bekannten Elementsignaturen übereinstimmen. Wenig später gelingt es ihm, ein unbekanntes silberweißes Metall aus der Zinkblende zu isolieren. Er tauft es Gallium – vermutlich zu Ehren seines Heimatlands Frankreich. Erst als er seinen Fund veröffentlicht, wird ihm und anderen klar, dass sein Gallium bis aufs I-Tüpfelchen dem von Mendelejew vorhergesagten Eka-Aluminium entspricht.
Wenige Jahre danach, 1879, entdeckt der schwedische Chemiker Lars Fredrik Nilson mit dem Scandium auch das zweite von Mendelejew prognostizierte Element, Eka-Bor. 1885 folgt mit Germanium das dritte, entdeckt vom deutschen Chemiker Clemens Winkler in einer Mine nahe Freiberg in Sachsen. Spätestens jetzt ist Mendelejew nicht nur rehabilitiert, sondern wird auch offiziell als eine der Koryphäen seines Fachs anerkannt.
Einige Jahre später jedoch geschieht etwas, was das gesamte Gebäude seines Systems erneut ins Wanken zu bringen droht…
Nadja Podbregar
Stand: 18.02.2011