Blei setzte schon Ludwig van Beethoven zu. So erheblich, dass es bei ihm nach langer Leidenszeit schließlich zum Tode führte. Doch wie konnte es dazu kommen? Wohl um sich zu inspirieren, trank der Komponist bevorzugt und in großen Mengen Weißwein. Und den pflegten die Winzer nicht mit Rohrzucker, sondern mit billigeren Bleizucker zu versüßen. So litt der zunehmend deprimierte und gereizte Beethoven unter schweren Darmkoliken, Nieren- und Leberschmerzen. Der Versuch sein Leiden mit dem billigen Fusel zu betäuben, machte es nur noch schlimmer.
Ans Licht kam die Tragödie durch die Analyse seiner Haare, die dem 1827 Verstorbenen kurz vor seiner Beerdigung im Büschel abgetrennt worden waren. Ein lohnendes Unterfangen, wie sich später herausstellen sollte. Denn die Haaranalyse ergab: Nicht etwa wie angenommen an Syphilis, sondern an einer Bleivergiftung war das Genie gestorben. Seine Haare wiesen das Hundertfache üblicher Bleiwerte auf.
Wein enthält heutzutage – außer Frostschutzmittel vielleicht – gottlob kein Blei mehr. Dennoch rinnt das giftige Schwermetall aus ganz anderen Quellen: aus dem Wasserhahn. Viele Haushalte, insbesondere Altbauwohnungen, werden noch über alte Bleirohre mit Trinkwasser versorgt – und die zulässigen Grenzwerte dabei stark überschritten. In Wien ergaben Untersuchungen einen Spitzenwert von 849 Mikrogramm Blei pro Liter Trinkwasser. Die WHO empfiehlt einen Maximalwert von 10 µg Blei pro Liter. EU-weit hat man sich sogar auf nur 50µg geeinigt. Ein Wert, der oft überschritten wird.
Das Schwermetall wirkt schon im Mikrobereich als chronisches Gift. Neben „bleierner“ Müdigkeit, Bauchkrämpfen, Kopf- und Gliederschmerzen kann es irreperable Nierenschädigungen hervorrufen. Es lagert sich langfristig im Organismus ab, noch nach zehn Jahren kann es in den Knochen nachgewiesen werden.
Doch aus dem Wasserhahn fließt nicht nur Blei allein, sondern nicht selten ein Cocktail aus Schwermetallen, Pestiziden, Nitraten und Kohlenwasserstoffen. Zwar regelt in Deutschland die Trinkwasserverordnung die Reinheit des Wassers, die Werte beziehen sich jedoch auf die Qualität beim Erzeuger – dem Wasserwerk – und nicht auf die beim Endverbraucher.
Vom Wasserwerk bis zu den Haushalten kann jedoch noch viel passieren: Nicht nur die Bleirohre der Wohnhäuser können das Wasser vergiften, im gesamten Leitungsnetz der öffentlichen Wasserversorgung existieren Schwachstellen. Auch hier können Lötstellen oder Anschlussleitungen Blei abgeben, die Rohre werden zudem häufig mit Bitumen – das Kohlenwasserstoffe freisetzt – abgedichtet, Leckagen in Abwasserleitungen können das Trinkwasser zusätzlich verunreinigen.
Doch damit nicht genug. Höchst alarmierend ist allein schon die Belastung des Grundwassers. Mit Nitraten, Phosphaten und Pestiziden aus landwirtschaftlichen Einsatz überfrachtet, enthält das an den Brunnen geförderte Wasser oftmals so hohe Mengen an Schadstoffen, dass die zulässigen Grenzwerte der Trinkwasserverordnung überschritten werden. Insbesondere der Nitratwert ist meistens viel zu hoch, so dass unbelastetes Wasser hinzugemischt werden muss – oft nur soviel, bis die Werte so eben unterschritten werden.
Das Beispiel Nitrat zeigt, wie schwierig generell die Festlegung von Grenzwerten ist: Grenzwerte sind relativ und beziehen sich nicht nur auf die Schädlichkeit der zu regelnden Stoffe. Nicht selten werden sie bei Zunahme der Verschmutzung just heraufgesetzt oder per Verordnung sogar ignoriert – oft je nach politischer Couleur.
Stand: 21.05.2002