Der Erdgasbedarf in Deutschland schwankt innerhalb eines Jahres fast so stark wie die Fieberkurve eines Malaria-Patienten. Im Winter beispielsweise laufen aufgrund der kalten Temperaturen die Heizungen in vielen Haushalten nahezu rund um die Uhr und sorgen so für Rekordwerte beim Gasverbrauch. Im Sommer dagegen herrscht normalerweise Flaute auf dem Gasmarkt, die Nachfrage ist gering.
Doch wie schaffen es die Gasproduzenten immer genügend von dem fossilen Brennstoff parat zu haben? Schließlich kann man die Erdgasfelder nicht einfach von April bis Oktober dicht machen und für den Rest des Jahres oder bei hohem Gasbedarf auf „Zuruf“ mit doppelter Leistung ausbeuten. Was also sorgt für die von Politikern gern und vielgepriesene Versorgungssicherheit für Erdgas?
Vorratswirtschaft hat Hochkonjunktur
„Horten für die kalte Jahreszeit“ lautet das Motto, das sich die Erdgaskonzerne womöglich bei Mutter Natur abgeschaut haben. So wie beispielsweise Eichhörnchen unterirdische Vorratskammern für den Winter anlegen, so tun dies auch die Erdgaslieferanten.
Dabei wird ein erheblicher Aufwand betrieben. Bereits ausgebeutete frühere Erdgas- oder Erdöllagerstätten oder ehemals Wasser führende Schichten, so genannte Aquifere, sind es, die nach der notwendigen technischen Vorbereitung zumeist im Sommer mit dem überschüssigen Gas vollgepumpt werden. Die Konzerne scheuen aber auch nicht davor zurück, mit Wasser riesige Löcher in unterirdische Salzstöcke zu spülen und diese anschließend mit reinem Erdgas zu füllen.
Der größte natürliche Erdgas-“Supertank“ befindet sich nahe der idyllischen Moorlandschaft Rehdener Fladder in Niedersachsen. Er erstreckt sich unteririsch über eine Fläche von acht Quadratkilometern. Sagenhafte 4,2 Milliarden Kubikmeter Erdgas fasst dieser Speicher in rund 2.000 Metern Tiefe, der in Zeiten hohen Angebots und geringem Bedarfs über 16 Bohrlöcher pausenlos befüllt wird. Zum Vergleich: Die Gasmenge reicht aus, um zwei Millionen Einfamilienhäuser ein Jahr lang komplett mit Gas zu versorgen.
Die Füllung des unterirdischen Mammutspeichers ist aber nicht so einfach wie es auf den ersten Blick aussieht. So müssen die Techniker und Ingenieure bei der Einlagerung beispielsweise den enormen Druck überwinden, der in mehreren tausend Metern Tiefe herrscht. Das Gas wird deshalb mithilfe von Spezialgerät zunächst verdichtet und erst dann mühsam in den Speicher injiziert.
Und auch die Situation im Vorratslager wird peinlich genau überwacht: „Zur Steuerung der Gasqualitäten und zur optimalen Nutzung des Arbeitsgasvolumens wird ein Lagerstättensimulationsmodell verwendet, das die jeweils aktuelle Drucksituation in jedem Bereich des Speicherhorizontes darstellt“, beschrieb Bernhard Schmidt von der Winterschall AG die Vorgehensweise auf einem Workshop im Oktober 2004.
Mehr Erdgaslager als –felder?
Doch Rehden ist kein Einzelfall. Mehr als 40 weitere unterirdische Erdgaslager gibt es, um „das Angebot den Verbrauchsschwankungen flexibel anzupassen“, wie der Wirtschaftsverband Erdöl- und Erdgasgewinnung betont. Zahlreiche weitere sind unter deutschen Äckern, Feldern und Wiesen gerade im Bau.
Wie nötig diese Erdgasspeicherung ist, zeigt ein Blick in die aktuellen Statistiken des Niedersächsischen Landesamtes für Bodenforschung (NLfB). Wie die Rohstoffexperten berichten, mussten die Vorratslager beispielsweise vor rund zehn Jahren im eiskalten Winter 1995/96 fast vollständig entleert werden, um die enorme Nachfrage zu decken. Wohl auch aus dieser Erfahrung heraus hat die Branche die Speicherkapazität für Erdgas allerdings noch einmal um rund ein Drittel auf heute rund 19 Milliarden Kubikmeter gesteigert.
Demnach ist genauso viel Erdgas, wie man Jahr für Jahr mühsam dem Untergrund abringt, ständig eingelagert, um Engpässe bei der Versorgung der Verbraucher zu verhindern.
Aus Schaden wird man klug…
Zwischenlager sind aber nicht nur beim Erdgas gefragt, auch beim Rohöl oder bei Mineralölprodukten ist Vorratshaltung tief unter der Erdoberfläche längst Realität. Nach Angaben des NLfB gab es im Jahr 2002 insgesamt zwölf solcher Depots für Benzin oder Schweröle an strategisch wichtigen Orten in Deutschland.
Nach dem so genannten „Erdölbevorratungs-Gesetz“ lagern darin Reserven, die für rund 90 Tage reichen. Zum Vergleich: Die in Deutschland eingelagerten Lebensmittelreserven reichen gerade mal für knapp 14 Tage.
Die unterirdischen Speicher sowohl für Erdgas als auch für Erdöl haben neben ihrer gewaltigen Größe noch weitere Vorteile: Sie sind sicherer als Tanks an der Erdoberfläche, aus der Luft nicht so leicht zu entdecken und können deshalb an „strategisch“ wichtigen Orten in Deutschland eingerichtet werden – wenn es denn die geologische Situation im Untergrund zulässt.
Ausgelöst wurde das Sammelverhalten der Erdöl- und Erdgaskonzerne nicht durch eigene Einsicht oder vorausschauende Planung der Politiker. Erst nachdem Teile der erdölexportierenden Länder 1973 Deutschland und dem Rest der Welt den Ölhahn zudrehten und für Panik unter Autofahrern und Politikern sorgten, ist die Speicherung Normalität geworden.
Stand: 24.06.2005