Eine interessante Einsatzmöglichkeit vor allem für Satelliten mit Infrarot-Kameras ist die Analyse von Urbanisierung und Städteentwicklung. Am Beispiel der Stadt Atlanta lassen sich die Auswirkungen mit Hilfe von Satelliten zeigen. Die Stadt ist so dicht bebaut, voll von Klimaanlagen und mit Asphalt zugepflastert, dass sie auf Satellitenaufnahmen als „Wärmeinsel“ erscheint. Sie saugt die Wärme tagsüber auf und speichert sie auch über Nacht, wenn es in der Umgebung kühler ist. Die Daten zeigen, dass vor allem die stärker entwickelten Teile der Stadt wärmer bleiben als die umgebenden Gegenden.
Auf den Satellitenaufnahmen lässt sich deutlich erkennen, wie sich die Innenstadt von Atlanta aufheizt und wo die wärmsten Regionen sind. Auch in der Nacht zeigt sich an den Stellen, wo es tagsüber am wärmsten war, noch eine erhöhte Temperatur, weil die Stadt die Wärme speichert. Kühlere Stellen, erkennbar an der blauen Farbe, finden sich nur in größerer Entfernung vom Stadtzentrum.
Viele dieser Wärmefallen befinden sich um Strukturen, wo das Wachstum am größten ist: Stadtgrenzen, Straßen und Nahverkehrsrouten. Forscher sagen voraus, dass das Städtewachstum das regionale Klima entscheidend verändern wird. Die Hitze, die von dicht bebauten Gegenden aufsteigt, produziert mehr Gewitter. Die Gewitterwolken wachsen mit den Städten an.
Ballungszentren bei Nacht
Satelliten eignen sich gut dazu, anhand von Nachtaufnahmen die Verteilung von Ballungszentren zu beobachten. So können die Wissenschaftler durch die Lichtemission der Städte bei Nacht dicht und dünn besiedelte Gebiete unterscheiden. Aus den Nachtaufnahmen lassen sich noch andere Daten ableiten. Überlagert man diese Bilder beispielsweise mit Vegetationskarten, können die Forscher Zusammenhänge zwischen Städteentwicklung und Pflanzenwachstum beziehungsweise Photosyntheserate untersuchen. So kann sich die jährliche pflanzliche Produktion in Gegenden mit intensiver Urbanisierung um 20 Tage verkürzen.
Eine weitere interessante Entdeckung ist die Tatsache, dass durch die Urbanisierung die Produktivität der Pflanzen zwar abnimmt, die Wachstumsperiode aber merklich verlängert wird. Die Vegetation grünt früher im Jahr und braucht länger, bis sie im Herbst abstirbt. Die Produktivität zum Höhepunkt der Wachstumsperiode ist allerdings niedriger als in vergleichbaren unbesiedelten Gebieten. Einen Grund für diesen Effekt könnte die Rolle der Städte als „Wärmeinseln“ spielen, wobei sie auch in Klimaveränderungen verwickelt sind, besonders in der nördlichen Hemisphäre, wo die Urbanisierung besonders schnell verläuft.
Explosives Städtewachstum
China besitzt eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften weltweit. Das fast schon explosionsartige Wachstum verändert das Gesicht der Landschaft tiefgreifend. Die Bilder, die der Satellit LANDSAT im Abstand von nur acht Jahren von der Region Shenzhen nördlich von Hongkong machte, verdeutlichen diesen Effekt sehr gut. China befindet sich in einem kulturellen und wirtschaftlichen Umbruch, und die Entwicklung ist besonders in den südlichen industriellen Städten sehr rasant. Shenzhen wandelte sich in kaum zehn Jahren von einem regionalen Zentrum zu einer bedeutsamen Metropole.
Auf den Satellitenaufnahmen ist sehr gut zu erkennen, wie einschneidend der räumliche Wandel ist. Straßen, Brücken und andere große Bauwerke verändern die Landnutzung in großem Stil. Ebenso verändert sich die Vegetation durch die Bebauung. Die rote Färbung steht für Vegetation. Waren 1988 noch ausgedehnte rote Flächen und damit unberührter pflanzlicher Bewuchs zu erkennen, sind acht Jahre später die meisten dieser Gebiete der Bebauung gewichen. Nur noch in den gebirgigen Regionen im Osten sind 1996 noch ausgedehnte bewachsene Gebiete zu erkennen. Durch Nutzung solcher Aufnahmen können Forscher die Gründe von Umweltveränderungen, wie wir sie in Shenzhen finden, besser verstehen.
Stand: 19.03.2001