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Auf Basis ihrer neuen Datierungen haben die Wissenschaftler nun das damalige Geschehen im Detail rekonstruiert: Eine der größten bekannten Kollisionen im Asteroidengürtel zerriss vor 470 Millionen Jahren einen mehrere hundert Kilometer großen Kleinplaneten. Dabei wurden die Gesteine beider Asteroiden von sekundenlangen, gewaltigen Stoßwellen durchdrungen. Die durch die Hochdruckmetamorphose erzeugten Minerale und ihre chemische Zusammensetzung erlauben Aussagen zu Spitzendrücken, Temperaturen und nachfolgenden Abkühlraten.
Mutterasteroid war hunderte Kilometer groß
Die Schlussfolgerung: Während der Kollision musste der Spitzendruck rund eine Sekunde lang angehalten haben. Nach Ansicht der Forscher spricht das dafür, dass der an der Kollision beteiligte Einschlagkörper mehrere Kilometer groß war, der getroffene Mutterasteroid der L-Chondriten dagegen sogar mehrere hundert Kilometer maß. Metergroße Bruchstücke gelangten anschließend auf erdbahnkreuzende Umlaufbahnen, sodass ein bis zwei Millionen Jahre lang etwa hundertmal so viele Meteorite auf der Erde niedergingen als heute.
Acht Krater – ein Ursprung
Nach dem Zusammenstoß vor zwanzig Millionen Jahren erreichten auch überdurchschnittlich viele größere Bruchstücke die Erde. Dies illustrieren bis heute acht Einschlagkrater, die zwischen 450 und 470 Millionen Jahre alt sind und Durchmesser von zwei bis dreißig Kilometern haben: die Krater Neugrund und Kärdla in Estland, Granby, Tvären und Lockne in Schweden, Ames im amerikanischen Bundesstaat Oklahoma, Calvin im Bundesstaat Michigan und Slate Islands im kanadischen Ontario. Statistisch betrachtet, hätten in diesem Zeitraum nur etwa zwei derart große Einschlagkrater entstehen dürfen.
Die Energie solcher großen Einschläge war beträchtlich und hatte wahrscheinlich globale Auswirkungen. So entstand beispielsweise ein 30 Kilometer großer Krater wie Slate Islands in Kanada durch eine Impaktexplosion, deren Energieumsatz etwa dem von zehn Millionen Hiroshima-Bomben entspricht. Zur Veranschaulichung: Die entspricht dem Einschlag eines Objekts von der Größe des Feldbergs im Schwarzwald mit einer Geschwindigkeit von rund 50.000 Stundenkilometern.
Ursache für ein Drittel alle Einschläge seither
Auch nach der großen Asteroidenkollision durchzogen größere Bruchstücke unser Sonnensystem. Ein bemerkenswert großes Fragment schlug vor 35 Millionen Jahren auf der Erde ein und schuf den imposanten, 100 Kilometer großen Popigai-Krater in Sibirien. Von anderen Asteroidenbruchstücken lösten sich in den letzten Jahrmillionen von Zeit zu Zeit – wiederum durch kleinere Einschläge – metergroße Körper ab, die als moderne L-Chondrite auf der Erde niedergingen. Sie machen gut ein Drittel aller Meteoritenfälle aus.
Noch immer erleben wir also die Nachwehen der kosmischen Kollision vor 470 Millionen Jahren – ein buchstäblich folgenreiches Ereignis für unser Sonnensystem.
Mario Trieloff, Universität Heidelberg / DFG Forschung 2/2010Stand: 22.10.2010