Möwen schreien, Taue fallen und Segel flattern im Wind. Es ist der 12. August 1768 im Hafen von Plymouth. Langsam schiebt sich das Schiff „Endeavour“ hinaus auf das Meer. An Bord der Seefahrer James Cook. Seine Mission: Die gerade neu entdeckte Insel Tahiti anlaufen, dort ein Observatorium errichten und im Juni 1769 den Venustransit beobachten.
Waffenstillstand für ein astronomisches Ereignis
Nach dem enttäuschenden Ergebnis der ersten weltweiten „Venusjagd“ von 1761 soll jetzt, im zweiten Anlauf alles besser werden. Die großen astronomischen Gesellschaften haben neue Standorte ausgewählt, insgesamt 76 sollen es werden. Fast alle „zivilisierten“ Länder der damaligen Welt rüsten Expeditionen aus und schicken Beobachter in alle Welt. Für dieses Ereignis von „globaler Bedeutung“ begraben Frankreich und England kurzzeitig sogar das Kriegsbeil, die französische Regierung instruiert ihre Kriegsschiffe, das Schiff von Captain Cook unbedingt unangetastet passieren zu lassen, da es „im Dienste der gesamten Menschheit“ unterwegs sei.
Tatsächlich geht alles glatt: Trotz eines Sturms bei Kap Horn und schwieriger Navigation erreicht die Besatzung der Endeavour am 13. April 1769, fast zwei Monate vor dem Transit, die Insel Tahiti. Das üppige Südseeparadies und seine Bewohner empfangen die Europäer freundlich und mit offenen Armen. Eine Tatsache, die Cook und seine Männer durchaus zu schätzen wissen und weidlich auskosten…
Ein dunkler Schatten…
Auch das Observatorium ist schnell gebaut und am Abend des 3. Juni 1769 schreibt Cook in sein Logbuch: „Dieser Tag erwies sich als so günstig für unser Vorhaben wie wir es uns nur wünschen konnten, nicht eine Wolke war zu sehen…. und die Luft war ganz klar, so dass wir jeden erdenklichen Vorteil hatten bei der Beobachtung der Passage des Planeten Venus über die Scheibe der Sonne: Wir sahen sehr deutlich eine Atmosphäre oder einen dunklen Schatten um den Körper des Planeten, der die Zeiten der Kontakte, besonders der beiden inneren, sehr störte.“
Auch die meisten anderen Beobachter haben Glück und im Laufe der Monate laufen nach und nach die Messergebnisse bei den astronomischen Gesellschaften ein. Die Abweichungen sind zwar noch immer deutlich, die berechneten Parallaxenwerte schwanken zwischen 8,55″ und 8,88″, aber zum ersten Mal ist es möglich, die astronomische Einheit genauer einzugrenzen. 151,6 Millionen Kilometer werden für sie ermittelt. Endlich ist die ersehnte kosmische Messlatte gefunden, mit deren Hilfe nun auch die Entfernungen weiter entfernter Sterne und Galaxien kalkuliert werden kann.
Fotografie ermöglicht noch genauere Kalkulation
Ende des 19. Jahrhunderts beginnt die gerade neu erfundene Fotografie die direkte Transitbeobachtung abzulösen. Während des Transits von 1882 machen Astronomen und Laienbeobachter tausende von Fotografien der Kontakte und schicken sie zur Auswertung an die astronomischen Gesellschaften. Es dauert dennoch fast zehn Jahre, bis die von der internationalen Gemeinschaft als offizielle „Berechner“ auserkorenen Astronomen alle Daten ausgewertet haben, doch das Ergebnis überzeugt: 1896 wird der Wert von 8,80“ für die Parallaxe und 157,389 Millionen Kilometer für die Entfernung Erde – Sonne festgelegt.
Inzwischen haben direkte Radarmessungen die aufwändigen Berechnungen der Entfernung über die Parallaxen längst abgelöst. Darauf basierend gilt heute der von der International Astronomical Union (IAU) festgelegte Wert von 149,597 Millionen Kilometer für die astronomische Einheit als Richtmaß. Die Abweichungen liegen dabei nur noch bei rund 100 Metern. Doch auch wenn die Kalkulationen mittels Venustransit vergleichsweise ungenau waren, ihr Wert als wichtiger Meilenstein und prägendes Ereignis in der Astrononmie und Wissenschaftsgeschichte bleibt bis heute bestehen.
Nadja Podbregar
Stand: 23.05.2012